Die Welt, 23. Januar 2009

Decker-Voigt 2008

 

 

Rufmordkampagne gegen Hamburger Professor

Von Insa Gall

Hochschule gibt Ehrenerklärung für Musiktherapeuten ab - Zahllose Verunglimpfungen im Internet

Das Mobbing begann vor vielen Jahren, und die Rufmordkampagne nimmt immer drastischere Formen an. In zahllosen Interneteinträgen hetzen zwei Brüder gegen den Hamburger Musiktherapeuten Hans-Helmut Decker-Voigt, verunglimpfen den Professor in persönlicher Weise und stellen seine berufliche Qualifikation in Abrede. Jetzt sieht sich die Hochschule für Musik und Theater zu einem ungewöhnlichen Schritt genötigt: Der Hochschulsenat hat eine Ehrenerklärung für den 63-Jährigen abgegeben. "Sämtliche Vorwürfe sind unbegründet: Sie wurden sowohl von der Hochschule als auch von der Behörde für Wissenschaft und Forschung geprüft und als haltlos zurückgewiesen", heißt es darin.

Der Hochschulsenat erkläre "seine uneingeschränkte fachliche und persönliche Wertschätzung für den langjährigen Direktor des Instituts für Musiktherapie", die Hochschule stehe "voll und ganz zu ihm".

Der Rufmord begann schon Anfang des Jahrzehnts. Im Internet stellten zwei Professorenkollegen, die Brüder Karl und Georg Hörmann, die Qualifikation von Decker-Voigt infrage. Ihm wurden "Titelbetrug" und "Anstellungsbetrug" vorgeworfen, weil er kein Abitur gemacht und unzulässigerweise den "PhD" einer US-Universität führe. Tatsächlich litt er als Junge an Kinderlähmung, wurde zu Hause unterrichtet und legte kein Abitur ab, dafür aber eine Sonderbegabtenprüfung für die Uni. Und zu dem "PhD" hat er den Doktortitel der Hamburger Hochschule erworben.

Doch die Anschuldigungen der beiden Brüder hörten nicht auf, im Gegenteil: Sie wurden immer perfider und gehässiger, wie es in der Ehrenerklärung heißt. Juristisch anfechtbare Formulierungen wurden in kürzester Zeit durch rechtlich unangreifbare ersetzt. Mittlerweile schade die Kampagne auch dem Ansehen der Musikhochschule, sagte deren Sprecherin.

Es ist eine Geschichte von Mobbing, die Angst macht. Decker-Voigt hat sie lange Zeit "als eine enorme Belastung" empfunden. Dabei hat er alle Phasen durchlaufen, von der Lähmung über die Fassungslosigkeit bis zu Hassgefühlen und Rachegelüsten. Bei der persönlichen Verarbeitung hat ihm das Buch geholfen, das er über seine Erlebnisse verfasst hat und das Ende vergangenen Jahres unter dem Titel "Vom Selbstmord des Rufmörders - Mobbing im Internet. Eine Erzählung" erschienen ist. Am Ende steht aber vor allem das Mitgefühl, das er für die beiden Brüder empfindet. "Sie sind in der beruflichen Sphäre völlig isoliert. Wenn sie nur zehn Prozent der Anerkennung hätten, die ich bekomme, würden sie nicht eine so destruktive Aggression aufpeitschen", sagt er heute.

Nun will er anderen Opfern von Mobbing im Internet helfen. Nirgendwo sei es so einfach, andere fertigzumachen, zumal Einträge auch nach Jahren noch abrufbar seien. "Internet und Blogs sind ewig - das ist eine gesellschaftliche Problematik ersten Ranges." Im Februar will Decker-Voigt einen gemeinnützigen Verein für den Schutz von Rufmordopfern im Internet gründen, der rechtliche, aber auch therapeutische Beratung anbietet.