Überraschungseier für 2019
Silvesternachmittag (neun Gäste) und kein einziges Ei im Haus. Kleine Küchenpanik deshalb, weil die Kinder Pfannkuchen fordern, ihre Eltern Frühstückeier am Neujahrstag.
„In Velgen steht ein Automat, da gibt’s immer frische,“ winkte Christine mit dem Zaunpfahl. Also fuhr ich, also stand ich vor dem mannshohen Automaten mit kinderfreundlichem Huhn darauf, also zahlte ich. Die Eierpackung oben im Fahrstuhl polterte runter in den Automaten-Unterleib. Nichts kam, nichts öffnete sich. Eier-Geburtshilfeversuche - Rütteln, Schütteln - brachten nichts.
Und da war sie: Diese vertraute Angst des Versagens vor unbekannten Automaten und Computern aller Art. Dann eben überteuerte Eier - ich zahlte ein zweites Mal.
Ein Drama wird erst Drama durch Einengung von Möglichkeiten und Einengung und Angst hängen unzufällig sprachlich zusammen. Also dritter Versuch für jetzt sauteure Eier durch dritte Zahlung (Schein). Wieder Poltern, Fahrstuhl unten. Nichts öffnet sich. Auch so eine elend häufige Erfahrung, wenn sich Dinge und Menschen nicht öffnen, trotz aller Umwerbung. Oder Bezahlung…
Die weitere vertraute Erfahrung, dass eigenes Tun sowieso vergeblich ist. Lateinisch heißt dieses Gefühl „vergeblich“ übersetzt: frustra, in der Psychologie heißt es „Enttäuschungsprophylaxe“: Klappt sowieso nicht.
Ich verabschiedete mich mit einem kleinen Klaps auf den Hintern des übergroßen Huhns im Unterleibsbereich des Automaten. Na, vielleicht ein bisschen ein stärkerer Klaps, jedenfalls kein Hieb. Nichts in Richtung Verlust der Affektkontrolle. Und da – genau beim Klaps machte es „Klap“ und ein Großteil der Klappe erwies sich als solche: Als Klappe, die sich beim stärkeren Klaps bewegte, nach innen ging.
Da lagen sie nun, vier Packungen, Großpackungen. Frische Eier. Sie hatten gewartet wie Dornröschen oder Gefangene. Meine Empfindung: Überraschung. Mehr als bei jedem Überraschungsei aus jenen Automaten, die ich zuliebe der Kinder noch beherrscht hatte.
Vorsätze für 2019: Erst Objekt (Automat, PC`s, Menschen) betrachten. Mir vorstellen, wie das da drinnen aussieht. „Einsehen“ nannte das der Bildhauer Auguste Rodin, wenn er vor Kathedralen oder unbehauenen Steinen stand: Mit dem Blick erst herum, dann in etwas gehen, dann erst aktiv werden. Zweitens: Versagensängste austauschen durch Eroberungsneugier, keine aktionistische Geldinvestition. Drittens: Was als Überraschung verkauft wird, ist oft lange nicht so überraschend wie das ganz Normale (Eier vor Überraschungseiern). Viertens: Nie auf Lob für solche Erfahrungprozesse zuhause hoffen. Soviel Eier wollten sie gar nicht.