Museumsbesuch

Dem Vorwurf, ich vernachlässigte die Familie wegen zu vieler Dienstreisen, folgen normalerweise Schuldgefühle. Ich bin ein Künstler darin, diese zu vermeiden, indem ich mit den Kindern Vater-Tochter-Reisen unternehme. Diesmal auch nicht weiter weg. Ich rechnete mit Musical-Besuch oder dem Bummel durch eine Modegasse für Thirties. An dessen Ende leben sie. Unsere Kinder. Am Ende ihrer Dreißiger.
Aber nichts mit Musical, Mode...

„Können wir nicht ins Museum? Das Puppenhaus ansehen, zu dem uns Großmama immer führte?“ Wir fanden zwar nicht das Puppenhaus aus Biedermeierzeiten, fanden aber wie so oft, was wir gar nicht gesucht hatten: ein Veloziped. Jenes Fahrrad aus Holz mit Lenker und Querstange, dessen Mobilität davon abhing, wie schnell man sich mit den Füßen auf dem Boden abstieß.

Wir grübelten über diese Vorformen heutiger Rennräder, E-Bikes, Zweiräder, Vierräder, Drohnen und Raumfahrzeuge von Alexander Gerst - kurz über Mobilität damals und heute. 

Wir malten uns aus, was ihre Kinder, meine Enkel, alles zum Bestaunen im Museum haben würden. Wie wir heute.

„Und, was fällt uns alles ein?“, fragte mein Kind. Und wir sammelten: „Dein Enkel wird sein Kind ins Museum holen, um ihm ein Auto von heute zu zeigen und ihm erzählen, dass in einem solchen Auto seine Mutter saß - noch hinter einem Steuerrad. So ein Rad, das man in die Richtung drehte, in die man fahren wollte. Er wird ihm erzählen, dass du zum Bezahlen dein Portemonnaie hervorholtest und mit Münzen und Scheinen und später erst mit deiner Kreditkarte oder mit dem Handy die Rechnung beglichst. Und dass du als Kind noch an der Telefonzelle in einer Warteschlange standest, wenn du von außerhalb telefonieren wolltest. Und dass du, und dass du….“

Bis zum Öffnungszeitenschluss des Museums kamen wir aus dem Staunen und Fantasieren nicht heraus, was folgende Generationen alles zum Staunen haben würden. Nicht nur eine Mutter, die selbst noch ein Auto steuerte.