Ehrenzeichen-Angebot

Herr Schmidt erzählt mir, dass er geehrt werden soll. „Oh“, sage ich und will gratulieren, weil mich alles freut, was Herrn Schmidt freut, aber Herr Schmidt winkt ab. „Das Ding sollen wir alle kriegen: Bundeswehr Tagesbefehl Veteranen-Ehrenabzeichen - und mal ehrlich – wo soll das ein vernünftiger Mensch denn tragen?“ Ich finde das (noch) nicht so merkwürdig wie Herr Schmidt, außer dass ich bisher unter „Veteranen“ etwas ganz anderes sah, als solche Jünglinge, höchstens 50.
Dann belehrt er mich, dass diese Ehre alle, die in der Bundeswehr gedient haben und keine silbernen Löffel geklaut, keine Vorgesetzten beleidigt oder sonstige ehrbefleckende Taten begangen  hätten, beantragen können. „Wenn ich im Schützenverein einen hervorragenden Schuss abgebe, einen hervor ragenden eben, dann ist ein Abzeichen, vielleicht ein Orden dran, aber für den Grundwehrdienst?“
Ich erwähne noch, dass solch Urkunde und das Kästchen für die Ehre sich doch zuhause in der Vitrine gut machten, außerdem Erinnerung hervorriefen, aber erstens haben Schmidts als moderne Menschen keine Vitrine und Herr Schmidt nicht nur gute Erinnerungen.

Recht hat er irgendwie. Aber die Bundeswehr oder einer in ihr für das „Wir-Gefühl“, neudeutsch „corporate identity“,  zuständige Dezernent auch. Denn überall gibt es Ehemaligen-Vereine. 

Ehemalige Schulabschlussklassen,  Hochschulen auch, nur dass die dann eben Ehemalige heißen oder lateinisch „Alumni“ oder neudeutsch „alumnists“ nicht Veteranen. Christines Lüneburger Mädchenklasse mit ihrem kürzlichen Klassentreffen würde auf die Barrikaden der Emanzipation steigen, wenn sie „Veteraninnen“ genannt würden und Ehrenabzeichen kriegen. Alle. Auch die mit nur knapp „Ausreichend“.
Dann fiel mir siedend heiß ein, dass ich meiner Gewerkschaft noch nicht antwortete. Genauer dem Verband der Schriftsteller, deren Gründung 1970 Heinrich Böll seinerzeit als „Einigkeit der Einzelgänger“ bezeichnete und uns stolz machte. Selbst bei nur einem kleinen veröffentlichten Gedicht-Bändchen.
Denn die Gewerkschaft, der Verband, bietet jetzt auch ein Abzeichen („VS“) an. Die Abzeichen sollen für Einigkeit sorgen, nein, für Einheitlichkeit, denn möglichst viele, alle sollen es tragen. Nur wo? Die Autoren-Kollegen würden wiehern, wenn ich es tragen würde und mich zum Satire-Objekt machen, weil keiner weiß, was das ist. Im Gegensatz zum  Ehrenabzeichen der Veteranen, denn das erinnert genau an die Form des Eisernen Kreuzes.

Natürlich sind wir Menschen alle gleich. Aber gegenwärtig ist – neudeutsch – der „Mainstream“ wieder der, sich zu unterscheiden.

09. Juli 2019
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