Tüchtige Richter
Es ist ebenso frisch wie Realität und war überall zu lesen (auch in der AZ), jenes Landgerichtsurteil, das endlich Licht in den Dschungel dessen strahlen lässt, was so schwer ist: Gutes und schlechtes, falsches und richtiges Benehmen unter Menschen. Denn jenes Landgericht hat bei folgender Klage folgendermaßen Recht gesprochen:
Da hat jemand, der einen Chef hat, diesen Chef außerhalb des Dienstes – nicht gegrüßt. Der Chef hat dem Mitarbeiter deshalb daraufhin im Dienst gesagt, wie er das fände. Nämlich unmöglich. Und die Rüge aktenkundig gemacht.
Ich finde es auch unmöglich. Denn die Sache ging weiter und derMitarbeiter wehrte sich, ging vor Gericht und das nahm sich der Sache an, unserer aller Sache! Das hohe Gericht sprach dem Kläger – dem, der seinen Chef nicht gegrüßt hatte – das Recht zu: er müsse nur im Dienst grüßen, nirgendwo sonst. Nicht auf der Straße, nicht im Cafe, auch nicht dort, wo man Schlange steht und sich wenig aussuchen kann, wer vor oder hinter einem steht. Wir brauchen die Chefs nicht mehr zu grüßen in den Schlangen am Kino, im Supermarkt. Dieser Kläger und dank ihm nun wir alle düfen offiziell-legal den Chef übersehen oder gar ansehen – grußlos.
Das arme deutsche Gericht! Was müssen die Richter und Richterinnen hart arbeiten angesichts der nächsten großen Klagewelle. Denn ich plane jetzt auch eine Klage und finde bestimmt einen verständnisvollen Richter,
weil ich nicht alle, denen ich nur durch Geburt zwangsverwandt bin, mehr grüßen will. Z.B. Tante Ulrike z.B., die mich auf Großfamilientreffen immer kritisiert wegen meines (Schreib-) Stils. Ich werde auch gleich mit durch Gericht verbieten lassen, mich gar küssen zu lassen von ihr und anderen.
Oder Herr Musstermann (Name vom Mann musste ich ändern): Der besitzt eine Garage, die an die Straße mit wenig Parkplätzen angrenzt. Herr Musstermanns Garage hat einen großzügigen Vorplatz, auf dem ich mal ganz kurz nur zum Umpacken parkte, aber da war der Herr Musstermann schon auf seinen Vorplatz gehastet und kündigte mir an, die bereits hinter seiner Gardine notierte Autoschildnummer für eine Anzeige zu nutzen. Was er auch tat. 30 Euro zahlte ich an den Staat. Herr Musstermann begegnet mir öfter bei der mir nächsten Tankstelle mit Autowash, weil die ihm auch gehört. Ich musste ihn bisher grüßen – trotz seiner unmöglichen Anzeige gegen mich. Weil das nächste Autowash zu weit weg ist. Und wegen meiner Erziehung. Überhaupt ist mein Elternhaus schuld an dieser bisherigen Unfreiheit („Nur Proleten grüßen nicht, Junge!“).
Gesetzlich bin ich jetzt frei im Grüßen. Nur schade, dass mich nun vielleicht auch nicht mehr Anne, unsere enge Mitarbeiterin, grüßen wird. Außerhalb unseres Hauses. Oder nur noch, wenn sie will.