Von Osterhasen und Bach - Passionen
Untererzengel Gabriel der Kleine flog im Alarmtempo, also Presto, Prestissimo, zu seinem Chef. Dem gleichnamigen Erzengel. Dort tat er, wofür er berufen war: Seinem Chef wichtige Infos von den Religionen auf der kleinen Erde zu melden. Bevorzugt Infos zu den christlichen Religionen.
Der Erzengel vorsortierte, was wichtig und sehr wichtig war. Allerwichtigstes transportierte der Erzengel Gabriel direkt weiter ins Leitungsgremium. Die Trinität.
„Was ist los?“, fragte Gott und hob nicht mal den Kopf, als der Erzengel fast atemlos gelandet war.
„Die da unten“, der Erzengel war trotz himmlischer Lungen und Bronchien in Atemnot geraten, „die Deutschen - sie wollen den Osterhasen umtaufen. In - in Sitz-Hasen!“
Jetzt hob Gott doch den Kopf. „Wieso?“
„Osterhase sei wegen des Wortes `Ostern` zu christlich gebunden. Und da immer weniger in der Kirche sind – in Deutschland ist es die kleinere Hälfte – da soll „Sitzhase“ neutraler sein. Was tun?“
„Nichts“, sagte Gott. „Erstens ist der Hasenkult schon von Heiden vor Zeiten meines Sohnes gepflegt worden. Zweitens: Es muss immer Abweichler von der gängigen Meinung geben, damit das gesunde Normale sich auf sich selbst besinnen kann.“ Gott fügte - freundlich - hinzu, dass es keine kleineren oder größeren Hälften gebe. Danach fragte Gott seinen Erzengel, ob denn die Menschen zu Ostern keine anderen Sorgen hätten?
„Doch – die haben andere Sorgen. Größere. Zum Beispiel bei den Evangelischen. Da gibt es einen Fachmann für Antisemitismus, einen Professor. Der meint, dass in den Passionen von Johann Sebastian Bach gewisse judenfeindliche Botschaften stecken. Das ginge so nicht.“
Jesus schaltete sich ein. „Bach kann nichts dafür. Martin Luther, an dessen Bibelübersetzung sich Bach zu orientieren hatte - der switchte schon.“
„Und – würdest du die Textpassagen in der Matthäus-Passion oder der Johannes-Passion ändern - mein Sohn? Du bist schließlich die Hauptperson.“
„Du lieber Himmel – nein!“, sagte Jesus entsetzt. „Das ist allgemeines Kulturgut. Es reicht völlig, in den Begleitheften einen textkritischen Hinweis zu geben. Von wegen Zeitkontext damals und heute…“
Der Erzengel hatte seinen normalen Atemrhythmus wiedergefunden.
„Wenn der Hl. Geist mir diesen Auftrag für menschliche Seelenberuhigung gibt, gebe ich das so an Gabriel den Kleinen weiter – für die Erde.“
Der Hl. Geist sah Gott an, dann Jesus und als die beiden nickten, wünschte er dem Erzengel frohe Ostern.
15. April 2025