Der 80. Geburtstag

Ich war eingeladen zum 80. Geburtstag der alten Dame. Der ursprünglich geplante Raum für ihr Wiegenfest musste in einen größeren gewechselt werden – so viele Gäste waren wir. Jazz Hall hieß der Raum – und war im Gegensatz zur alten Dame fast neu gebaut.

Flüsternd vertraute sie mir vor dem Fest an, dass ihr mit der „8“ vor ihren Lebensjahrzehnten etwas mulmig geworden sei. Obwohl sie das ganze letzte Lebensjahr geübt und immer auf Nachfrage präzise betont habe, dass sie im 80.Lebensjahr lebe. Um die Magie der 80 alltäglich werden zu lassen.

Richtig geholfen habe ihr aber einer der vielen schönen richtigen Postbriefe. Mit Umschlag und Briefmarke und ihrer mit Hand geschriebenen Adresse und so. Da schrieb eine Astrid, dass die 24 Stunden vor der 80 ja genau so lang seien wie die danach sein werden. Also keine Panik. Ich bestärkte die alte Dame darin.

Das Wiegenfest der alten Dame geriet wunderschön. Auf der Bühne rauschte ihr langes Leben vorbei. Nicht nur ein Redner beschrieb auf der Bühne ihr Leben, sondern fünf und zur Freude der alten Dame waren die anderen vier – starke Frauenpersönlichkeiten.

Neben dem Pult für die gesprochenen würdigenden Worte stand ein Schlagzeug bereit. Zunächst spielte eine junge Pianistin „Scarlatti“ am großen Steinway – Konzertflügel. Scarlatti lebte zwar zwei Jahre länger als der ansonsten größere Bach, aber dies Defizit wurde durch ein unfreiwillig mitschwingendes Fellinstrument ausgeglichen. Es klang in den Ohren der alten Dame fast wie die Musik vom alten, geliebten Jacques Loussier. Das war ein Pianist, der mit seinem „Play Bach“ den großen Bach und Jazzformen absichtlich vereinte. Auch die Akustik der Jazz Hall seufzte mit der alten Dame. Beide freuten sich weiter an frei improvisierter Musik von Studierenden. „Ach – wie jung die sind“, seufzte die alte Dame und freute sich.

Ein Gast vom Lande, in dessen Nachbarschaft die alte Dame auch sonst lebt, fragte die Pianistin, wozu das Pedal am Flügel sei. „Gibt man Gas damit?“

Die junge Dame erklärte hilfsbereit und der Landwirt revanchierte sich später mit Informationen über die aktuell spannende Lage der Felderbewirtschaftung. Er wurde mit seinem Kollegen durchaus einer der Hähne im Korbe vieler so ganz anderer Gratulanten in der Jazz Hall in Hamburg.

Die alte Dame erzählte auch aus ihrem alt gewordenen Leben und teilte mit, dass sie – wie so viele mit 60, 70 und 80 – ein Buch über sich selbst schriebe.

Es würde heißen „Mein liebes Leben“.

Sie war etwas aufgeregt, die alte Dame. Die vielen Menschen. Die Bühne. Deshalb sprach sie den Titel ihrer Memoiren etwas zu schnell und so hörte ihr Zuhörer-Kreis, was er hören wollte: „Mein Liebesleben.“

Wahrlich – ein wunderschönes Fest, das ich beim Beschreiben nochmal durchlebte. Ich. Die alte Dame.

25. März 2025