Souverän sein

Ich bin es. Souverän. Ich war es. Wir alle waren es, die kürzlich wählen waren. Wir, das Volk.

Jetzt treten wir zurück und lassen wieder andere für uns arbeiten. Politiker. Alles hat seine Ordnung.

Der Wahlvorstand im Feuerwehrhäuschen Allenbostel amtierte mit offener Tür, denn drinnen bollerte der Ofen und es war puttwarm. Außerdem war es offen für alle Meinungen, die auf dem Wahlzettel standen.

Wahlvorstände an Wahltagen sind ähnlich dem, was nach dem Kreuzchenmachen auf uns zukommt. Verwaltung. Organisation in dem Sinne, die jeder Verwaltung erst ihren Sinn gibt. Alles hat seine Ordnung zu haben.

Unser Wahlvorstand (Frauen - eine Vorsitzende, eine Stellvertreterin, eine Beirätin) mit einem Hahn im Korbe und einem am Nebentisch lehnend, der sich als pausierender Vorsitzender herausstellte, sorgte auch für die Ordnung des Wählens. Mit einer Reihe von Süßigkeiten, die wir Wähler nehmen und lutschen durften. Wenn wir wollten. Die Süßigkeiten hatten eine ähnliche Optionsvielfalt wie wir gleich in der Wahlkabine. Schokoriegel und Bonbons in verschiedenen Farben. Alle eingewickelt, der spätere Inhalt nicht sichtbar. Das machte die Bonbons den Parteien ähnlich, die wir wählen konnten. Die Farben symbolisierten jedoch – da bin ich sicher - keinerlei parteipolitische Färbung. Manchmal sind Süßigkeiten nur Süßigkeiten und präventiver Trost für Wähler.

Denn große Parteipolitik da draußen, die wir hier drinnen entschieden, ist säuerlich genug.

Das Feuerwehrhäuschen ist – wie der Name sagt – genuin für Schlimmes ausgelegt, für Katastrophen und für Rettung aus diesen. Außerhalb des Schlimmen ist das Feuerwehrhäuschen ein Friedensort. Nach der Wahl würde es Bratwurst für alle geben.

Alle sind wir hier heutzutage Souveräne, wenn wir wählen gehen.

Solche Selbstverständlichkeit der Demokratie ist wie Gesundheit. An die denken wir normalerweise auch erst, wenn ein Schmerz auftaucht.

Im „Vormärz“ (zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848) entstand das ketzerische Lied „O hängt ihn auf…“. Nach den Napoleonischen Kriegen tagte der Wiener Kongress und die deutschen Fürsten taten, was sie nun wieder tun durften: Fürstentümer neu verteilen. Ihre Völker hatten die Nasen voll von Kriegen, weshalb sie erstmal nur sangen.

„Oh hängt ihn auf – den Kranz von Lorbeeren. Ihn unsern Fürst – den wollen wir verehren. (Dann Doppelchor:) Oh hängt ihn auf! Ihn unsern Fürst! O hängt ihn auf. Ihn unsern Fürst.

Ihn unsern Fürst, den woll`n wir heut verehren.“

Wir haben gewählt. Die Fürsten unserer heutigen Welt. Und sie wissen, dass wir sie wählen. Ihr Souverän. In vier Jahren wieder.

4. März 2025