Lotta und die Wahlen

Fünf Tage vor der Wahl gibt es über nichts Wichtigeres nachzudenken als über eben diese. Diese Wahl, die alle Himmelsrichtungen auf einmal ändern soll, um neue Zeiten einzuleiten. Damit die sehnsüchtig erhofften Probleme von uns Wählervolk sämtliche Lösungen bekommen. Was immer wir wählen, Lösungen oder Katastrophen - in fünf Tagen sehen wir abends, was wir angerichtet haben.

Neben diesem Allerwichtigsten auf dem Weg, den der Mensch gerade schreitet oder eilt, gibt es Blümchen am Rande des Weges. Die Beschäftigung damit prägt auch das Schreiten auf dem Weg:

Wir melden hiermit in Familie, Bekannt-, Nachbar- und Leserschaft die Aufnahme eines neuen Familienmitglieds: Lotta.

Meine Großeltern nahmen in ihrem ersten Kriegsjahr (1914) auch eine Pflegetochter auf. Erna. Sie war wie Lotta noch sehr jung und wuchs mit den weiteren sieben Geschwistern gut und trotz des Krieges „behütet“ auf. Zumal Celle bis auf den Bahnhof nie bombardiert wurde. Dank der Bitte vom britischen Königshaus an Winston Churchill, Celle als Anteil der Wiege der Windsors in der Welfenfamilie zu verschonen. Rote Kreuz-Zeltplanen waren über der Innenstadt gespannt, um den britischen Bomberpiloten zu signalsilieren: Hier nichts abwerfen.

Ähnliches haben wir jetzt auch mit Lotta. Unser Pflegekind Lotta hat Gott sei Dank keinen direkten kriegerischen Hintergrund, weswegen wir sie aufnahmen.

Aber indirekte Einflüsse von den Kriegen um uns herum prägen auch uns. Alle. Unsere deutschen Politiker drohen mit Worten und Gesten mehr Kriegerisches untereinander an, als dass sie für Frieden und Integration werben. Immerhin gelten die Drohungen, Spaltungen derzeit nur den Trennungen von Gegenübern hierzulande, der Binnenstruktur. Beten? Da häufen sich die „Ach du lieber Gott“ – Stoßgebete. Die Gebetssammlungen an die Mutter Maria weisen weit mehr Stoßgebete aus. Bevor der römische Kaiser Konstantin seinen Kriegsgott „Mars“ austauschte durch die Gottheit der Christen, gab es neben Mars den Kriegsgott Ares in Griechenland (und bis heute auf Rätselseiten).

Zurück zu Lotta. Sie zeigt erste Merkmale frühpubertärer Phasen. Wie bei Erna 1914, die zunächst klaute. Im elterlichen Pfarrhaus. Beim Bäcker, beim Kaufmann. Nachts ist Ruhe, weil zu viel Kontrollpersonen neben ihr schliefen. Damals - wie bei Lotta heute.

Lottas Ersterziehung geschah durch ein erfahrenes Paar mit besonders ehrlichem Namen. Lottas Pass weist sie als nobilitert aus: Aerna/Lotta von der Wendlandmeute. Die zwei letzten von drei Nächten waren ohne jede schlafunterbrechende Klage über verlorene Bezugspersonen. Tagsüber macht Lotta alles, was neun Wochen alte Kaninchen-Dackelwelpen so machen: überwiegend entzücken.

Im Gegensatz zur ganzen anderen großen Welt um uns.

18. Februar 2025