Lob der guten, alten Zeitung

„Keine Zeitung im Kasten“. Das sagte Christine beim ersten Schneetag und ich fühlte statt Mitgefühl für vielleicht ausgerutschte Austräger - - Entrüstung. Mir etwas Vertrautes, Nötiges für die Tagesstruktur einfach wegzunehmen!

Ähnliches Gefühl dann, als zwar die Zeitung an einem Samstag erschien, aber der „Heidewanderer“ fehlte. Ausgerechnet die Zeitungsbeilage, die der relativen Erholung von allem Schrecklichen dient.

Ein Zweites: Von der Beilage zur Zeitung selbst – und Zeitungen überhaupt.

Ich nutze diese Zeitung auch als E-paper. Auf Reisen bin ich völlig abhängig von dieser. Doch welch Unterschiede! Druckausgaben sind gesünder für Physis, Psyche und den Geist, das Hirn.

Das Physische. „Taktil-Haptisches“. Beide Wörter meinen „Berühren“. Die Zeitung wird auseinandergefaltet, geblättert, die Fingerkuppen berühren sie (das Haptile). Als Schattenspender für das Nickerchen berührt sie uns (das Taktile). Und immer beruhigt sie unsere neuronalen Netze über die Ohren, weil Zeitungspapier unverwechselbar vertraut raschelt.

Zudem: Beim Auseinanderfalten von Zeitungsseiten, Umblättern weitet sich das Blickfeld, bezieht umgebenden Raum ein. Bahnhöfe und Gaststätten, Flughäfen. Man kann über Zeitungsränder die Menschheit beobachten.

Dann: Die Rubrizierungen im Lokalteil eines agrarstrukturierten, handelsorientierten Kreises wie unserem wirkt - überwiegend - trophotrop (beruhigend): Vortrag für Jung-Landwirte über Hülsenfrüchte, darunter „100 Jahre alte Schule wird Spukschloss“, daneben Abschießen und Würdigung von Schützenvereinen…

Natürlich manchmal auch Trauriges, Brutales im Lokalteil. Aber die Teile außerhalb von „Norden“ und Süden und überhaupt die zahllosen Himmelsrichtungen auf der Erde garantieren Böses, Beängstigendes in Unmenge. Dagegen Beilagen, Anlagen (papierene!) - wieviel Unterhaltung sichern die und Unterhaltung dient dem Unterhalt ebenso wie Brot und Wasser.

Ein Drittes: Die Zeitung als E-paper. Elektronisch, digital. Das Lese-Auge fliegt über das Display, das Gelesene flieht mit dem „Wischen“. Der „Uhlenköper“ wird überflogen ebenso wie die Trauer- und Liebesanzeigen.

Der Frontalhirn-Lappen regelt mit unser Blickfeld und unser enger werdendes Blickfeld (TV, PC, Tablett, Handy, Fortgeschrittene haben alles in der Armbanduhr) lässt den Lappen wie einen Muskel, der er ist, schrumpfen, atrophieren. 

Der Philosoph Jendris Alwast u.a. seiner Kollegen sehen menschliches Denken und Verstand „technokratisch gesteuert“. Durch Digitalismus und K.I.. Beides ist nicht mehr wegzudenken, lässt sich aber ausgleichen. Durch die Empfehlung des Talmud z.B. (Auszug): „Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten/ achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter“.

26. November 2024