Vom Gruseln
Beim Theaterspiel mit den Handpuppen ist der Teufel der Renner. Das Böse fasziniert eben mehr als das Gute.
Wir wechselten. Mal ich hinter der kleinen bemalten Holzbühne als Spieler. Mal die Kinder.
Nach einem Spiel mit mir als Zuhörer klagte Finja, fünf, bei ihrer Omama, dass ich – der Großvater – mich gar nicht richtig doll erschrecke, wenn sie den Teufel spiele. Vielmehr spräche ich mit dem Teufel.
„Zeig doch mal mehr Angst“, animierte mich Christine damals. Ich gehorchte und erschrak so laut, dass Finja erschrak, obwohl sie den Teufel hatte.
Die älter gewordenen Kinder bzw. deren stolze Eltern schickten jetzt Bilder zu Halloween. Ziel: Gruseln. Sich selbst. Und den anderen Gruseln zu lehren.
Heute ziehen wir alle aus, um einander das Gruseln zu lehren. Durch echte Kriege im Großen. Durch kleine im Kleinen. Und Gruseln im Spiel. Aktuell gruselt allen, was Trump tut. Gewählt oder nicht.
Haben wir zu wenig echte Ängste, sodass wir noch zusätzliche im Spiel spielen?
Oder spielen wir mit der Angst, weil das Spielen den Umgang damit trainiert?
Es gibt gerichtete Ängste, ungerichtete. Benennbare Ängste und unbenennbare. Wenn Ängste benennbar sind, ängsten sie schon weniger. Unbenennbare Ängste sind die, bei denen es uns die Sprache verschlägt,
Gruseln ist nicht gleich Angst haben.
Vom Wortstamm her bedeutet Gruseln, vor Furcht „leicht zu schaudern“. Die, die andere das Gruseln lehren wollen, beabsichtigen, dass den anderen der Schauder über den Rücken läuft. Etwas wissenschaftlicher: pilare Erektion. D.h. die Härchen (pilus, lat. = das Haar) mögen sich hoffentlich beim anderen sträuben. So wie es im Positiven bei mancher intensiv empfundener Musikerfahrung passiert. Oder beim Streicheln.
Dem Gruseln nahe ist das Unheimliche. Tolle Gruselgestalten bei Halloween und mein Teufel im Puppenspiel ziehen die Erleichterung nach sich, wenn das Unheimliche entdeckt wird.
„Das ist doch - ?“ „Das ist doch – oder nicht?“ „Doch, das ist sie!“
Das Gruseln letzte Woche war terminiert. Das in der USA-Präsidentenwahl jetzt programmiert. Trumps gibt es immer mehr. Weltweit.
Gute Anti-Grusel-Trainings gibt’s auch. In unserem uralten Kasperle-Spiel haben wir einen Schutzmann. Und eine schützende Königin.
Außerdem gibt es zeitgleiche Antigruselprogramme. Draußen ziehen Kinder vorbei mit ihren batteriegespeisten Laternen. Lichter in der Dunkelheit gibt’s immer.
5. November 2024