Von Wärme, Fernwärme, Hitze

Als Henrik Schulte und Hartmut Schultz für ihr Projekt in unserem Dorf von Haus zu Haus wanderten und dafür warben, war ich nicht misstrauisch. Aber skeptisch. „Fernwärme“ hieß ihr Projekt.

„Fernwärme“…Mit der hatte ich meine Erfahrungen in einer Dienstwohnung in St. Petersburg gemacht. Machen müssen. Dorthin hatte mich meine Hamburger Hochschule ausgeliehen. Vor dem jetzigen Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Nach dem vorletzten Krieg von uns Deutschen gegen den Rest der Welt und damit auch Russland (1914-18) war die alte Stadtvilla in St. Petersburg von deutschen Kriegsgefangenen gebaut worden. Sehr deutsch, d.h. solide. Mit Kaminen, Heizmaterial im Keller drei Stockwerke tiefer. Noch war Heizen individuell, nicht kommunistisch.  

Mehr als 100 Jahre später hingen in der russischen Dienstwohnung die Rohrleitungen wie große Schlangen durch alle Räume aller Wohnungen an allen Wänden entlang und von der Decke herab. Trotz ihres sowjetischen Alters taten sie, was sie sollten: Hitze abstrahlen. Aber ohne Thermostate. Ganz aus bedeutet 15-20 Kälte. Ganz an eben diese Affenhitze. Regulierung geschah durch Fenster und Balkontür.

Daran dachte ich, als Henrik und Hartmut von „Fernwärme“ sprachen.  Vor über drei Jahren.

Dann dachte ich an Tatjana, meine Übersetzerin in Russland. Sie wohnt in einem Plattenbau, dreimal so hoch wie die alte Stadtvilla. Auch dort wird ferngewärmt bzw. -gegrillt. Das gleiche, als ich Mitarbeiter der Diakonie in der DDR besuchte. „Arbeiterschließfächer“ sollen die Mieter ihre Wohnungen genannt haben.

Es gibt immer auch Vorteile: Außer der Miete gab es in der DDR und gibt es in Russland an Nebenkosten für die Heizung – immer gleich hohe Beträge. Und die waren niedrig.

Da Henrik und Hartmut als Unternehmer in Landwirtschaft und Landschaftsgärtnerei nicht nur mein Vertrauen, sondern auch meine Bewunderung haben, unterschrieb ich die Fernwärme. D.h., wir würden „angeschlossen“ werden. Allerdings bat ich nur um den Einbau des Nötigsten zusätzlich zu unserer neuen Ölheizung. Mit noch vollem Öltank. Sicherheitshalber.  

Kürzlich feierten wir ein Jahr Fernwärme auf dem Hof von Henrik, wo die zentrale Hackschnitzel– und Feuerungsanlage steht. Wir feierten bestens getimtes Management und Handwerk. Bei 30 Grad feierten wir. 30 Grad draußen. Außerdem verkauften wir unsere Ölheizung. An einen unserer Fernwärme-Betreiber.

„Eines schickt sich nicht für alle, siehe jeder, wie er`s treibe, siehe jeder, wo er bleibe, und wer steht, dass er nicht falle“, dichtete Goethe.  Er passt (fast) auf unsere individuell regulierbare Fernwärme-Heizung.

10. September 2024