Hund und Mensch

In Schlossparks lassen sie sich manchmal finden: Grabstellen von Hunden, die von ihren Besitzern besonders geliebt wurden. In Holdenstedt gab es solche Hundegräber auch - hinten im Park in der Nähe des Teichs. Bemooste Steine mit gemeißelten Hundenamen.

Manche Menschen standen und stehen öfter an Hundegräbern als vor den Gräbern ihrer Familienmitglieder. Erinnern sich an Hunde. Und damit an sich selbst.

Die Schweizer Hündin „Aria“ lebte alle ihre 15 Jahre bei uns. Mit uns. Wir setzen für „Aria“ keinen Stein mit gemeißeltem Namen. Oder Grabplatten wie Friedrich der Große. Sowas gibt es auch, wenn Hunde für den Halter die Stelle von Menschen einnehmen. Denn Menschen täuschen sich in Menschen nun mal mehr als in ihren Hunden.

„Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ (lat. homo homini lupus) schrieb der römische Dichter Plautus in seiner Komödie „Asinaria“ (Eseleien). Er spielte auf den Naturzustand des Menschen an, der gegenüber Unbekanntem misstrauisch bleibt. Ein Wolf ist trotz entfernter Verwandtschaft schließlich kein Haushund. Schon gar nicht ein Familienhund. Wie Aria, wie die Xabis, die Sunnys, die Rudis.

Familienhunde sind Virtuosen in Sachen Gruppendynamik: Sie können, was manche nie lernen. Empathie. Schon der Hundekopf an der runterhängenden Hand oder das Heben der Augenbrauen führen uns Menschen aus manchen gereizten Situationen heraus. Sie bieten unseren Klein-Kindern und Enkeln das Fell zum Streicheln. Und damit das Training, vor Ungeheuern keine Angst haben zu müssen. Hunde sind in (Psycho-) Therapien prima Assistenten.

Friederike teilte ihre Trauer jemand Vertrauten mit. Der sagte: „Wie schade“. Friederike zog sich daraufhin eine Weile von dem Ahnungslosen zurück. Mit Teelicht im Zahnputzglas des Hotels. Es ging schließlich um Trauern. Nicht um Bedauern eines Schadens.

Wer nicht selbst einen Hund hatte oder hat, wird den Abschied von Hunden, überhaupt von Haustieren, nie ganz verstehen können. Wer in einer echten Wüstenlandschaft lebt, wird nie verstehen können, was es heißt, von einem großen alten Baum Abschied zu nehmen. Und umgekehrt verstehen hierzulande vielleicht nur Pferdehalter, wenn von einem treuen Kamel Abschied genommen wird.

Apropos Wolf. Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (gest. 1679) übertrug den Spruch vom Platus, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, auf das Beziehungsverhältnis von Staaten, die ja immer von Menschen gestaltet werden. Die Wölfe heulen damals wie heute in allen Nachrichten.

Aria war das Kürzel für Ariadne. Sie verliebte sich nach der griechischen Mythologie in Theseus. Der wollte in einem Labyrinth den gefürchteten Minotaurus erledigen. Ariadne drückte ihm vorher am Tor ein Wollknäuel in die Hand. Mit dem schaffte er nach getaner Arbeit die Rückkehr aus dem Labyrinth.

Gute Hunde, nicht nur Jagdhunde, sind immer auch Ariadnes im Leben mancher Menschen.

28. Mai 2024