Katharina

Kurz heißt sie „Kathi“. Sie ist fünf Jahre reif und wächst auf einem Dorf bei Lüneburg auf. Trotzdem zweisprachig. Ihr Vater ist französisch (u.a.) sprechender Belgier.

Nun waren die belgischen Großeltern zu Besuch. Grandpa und Grandma.

Am Morgen nach der Anreise betritt Grandpa den „living room“. So formuliert man heute sprachliche Welterfahrenheit.

Grandpa sagt zu Kathi „Bonjour“.

„Guten Tag“ sagt Kathi. Sie ist gut erzogen. Teilweise.

„Bon jour“ wiederholt der Großvater. Kathi wiederholt ungerührt ihr „Guten Tag“.

„Bon jour“ beharrt der Großvater. Kathi verschränkt ihre Arme, dreht sich zu ihrem Vater und sagt:

„Der versteht mich nicht, dein Papa.“  

Ein solche Szene ist für Menschen, die Sinn für das Komische haben, Lebensnahrung. Genauer ist es bei Kathi die Situationskomik. Zumal Kathi eine hinreißend charmante Verführerin ebenso sein kann wie ein barscher Morgenmuffel.

Komik, die an Situationen gebunden ist (wie mit Kathi), strahlen eine Unwiderstehlichkeit aus. Eine gegenteilige Welt ist die traurige Verwandte der Komik, die Tragikomik. Sie ist oft von Unfreiwilligkeit geprägt, von der Ahnungslosikeit der Unfreiwilligen, die die anderen zum Lachen bringt. „Auf Kosten“ der Verursacher.

Das gemeinsam Sympathische an Komik, Situationskomik und Tragikomik eben der Fakt ist, dass sie nichts kosten.

Im Gegensatz zum Spaß, der oft gewollt ist, konstruiert. Siehe die beliebte frühere Serie „Verstehen Sie Spaß?“ im Fernseher, vor dem sich Zuschauende buchstäblich ausschütteten bis zum Schmerz. Und dafür Gebühren zahlten.

Komik geschieht durch Sprechen und Sprache (auch wenn man sie nicht versteht oder verstehen will wie Kathi und ihr Grandpa). Außerdem passiert sie durch Körpersprache und schriftliche Sprache.

Beispiel aus der Realität der schriftsprachlichen Tragi-Komik: Dem Chefarzt einer süddeutschen Klinik war am Vorabend eines wichtigen Besuchs der Investoren seiner Klinik - die Frau gestorben. Nach zwar längerer Krankheit, aber nun überraschend. Seine Mail an Geschäftsführung und sein Ärzteteam machte überregional auf Tagungen die Runde: „Meine Frau ist gestorben. Bitte dringend Ersatz suchen.“

Unsere Sprache kennt auch den Ausdruck „ur-komisch“. Da wird Tiefsinn mit Blödsinn vereinigt. Und sogar mit Wissenschaftlichem, mit Anthropologie. Gelacht wurde demnach früher. Gelächelt später.  

Bonjour!

05. März 2024