Vom Fluchen und Heiligen
Im Älterwerden nimmt alles Mögliche zu. Auch Unmögliches.
Ich z.B. fluche mehr. Denn ich bin häufiger auf Achse, um etwas zu suchen, was jemand nicht dahin zurückgelegt hat, wo es doch hingehört. Leider stellt es sich meist heraus als etwas, das ich auf dem Wege von A nach B abgelegt habe. Also „verlegt“. Verlegen und tapfer entschuldige ich mich dann auch bei den von mir Beschuldigten.
Jetzt zum zugehörigen Gegenteil vom Fluchen: von Heiligem. Christine schenkte mir – ahnungslos, was drinsteht - zum letzten Heiligen Abend den „Immerwährenden Heiligenkalender“. Den hatte ich mir gewünscht wegen einer Rezension in der Allgäuer Zeitung. Mein Grund für den Wunsch war nicht zunehmende Frömmigkeit, sondern meine abnehmende Kreativität bei Geburtstagsgratulationen an Menschen, denen zu gratulieren ich mich verpflichtet fühle. Da fehlt mir immer öfter Originelles je älter die Jubilare werden.
Der Kalender bietet für jeden Tag („immerwährend“ eben) Namen und Beschreibungen dessen, was der oder die Heilige so alles schützt. Der Kalender wurde in meinem sozialen Umfeld ein Knüller! Ich gratulierte nicht nur den (zahlenmäßig abnehmenden) Katholiken mit Informationen aus dem für sie zuständigen Heiligenleben und all dem, was sie und vor was sie beschützen. Ich schrieb solcherlei auch den (ebenfalls abnehmenden) Evangelischen oder Kirchenfernen und –feinden. Ich funktioniere sozusagen den katholischen Namenstag um zum allgemeinen Geburtstagsgedenken. Wenn denn die Jubilare so heißen wie der oder die Heilige. Mit dem Erfolg, dass die Begratulierten sich besonders bedankten.
Natürlich muss ich im Buch stark sieben. Denn ein erheblicher Teil der Heiligen lebte ein gefoltertes Leben, ein gequältes oder selbst zerquälendes Märtyrerleben mit blutrünstigen Enden. Das Buch ist nicht nur jugendgefährdend, sondern auch erwachsenengefährdend. Aber wer liest schon hierzulande den Heiligenkalender. Außer mir.
Ich nehme also zum Gratulieren keine Märtyrer. Nur heil gebliebene Heilige.
Nun zum Zusammenhang zwischen meinem Fluchen und einem besonders beliebten Heiligen. Der, der speziell beim Wiederfinden verlorener Gegenstände hilft! Es kennt ihn fast jeder. Mindestens jeder, der auch Wilhelm Busch kennt. Seine immense Beliebtheit verdankt der Heilige der verzweifelten Suche von Menschen eben nach Verlorenem. Egal, welcher Gläubigkeit oder Ungläubigkeit man ist: Er hilft. Sein Name: Antonio von Padua. Noch viel treffender: Die Bayern nennen ihn zärtlich „Schlamperltoni“. Ich auch. Ich rufe den Heiligen an, wenn ich was verschlampe. Und die beiden Antons, die ich kenne, waren selig über meinen Hinweis.
Wegen seines Erfolges beim Wiederfinden vertraute ihm die Christenheit auch andere Patronate an: Erdbeerverkäufer, Eheleute, Liebende überhaupt, Haustiere…
Ich fluche auch (etwas) weniger, seit ich Schlamperltoni kenne.
22. August 2023