Vom Klappern der Sojabohnen

Ich war eine Karteileiche im „Landwirtschaftlichen Verein Ebstorf und Umgebung e.V.“. Immer schon. Ich weiß nicht mal, wie ich Mitglied wurde. Landschaft und Landwirtschaft und damit Landwirte liebe ich aber auch immer schon.

Karteileichen-Zustände beendet man am besten, indem man sich bei Lebenden anmeldet. Weshalb ich mich mit Christine zum Event „Feldrundfahrt“ aufmachte. Heuer rund um Linden.

Die Wettergötter (u.a.) kamen aus dem Segnen gar nicht heraus – Segnen des 13 m langen frisch gezimmerten Anhängers, seines Traktors und dessen Fahrers sowie der ganzen lernlustigen Gesellschaft.

Ich lernte, dass Schweine in ihren Buchten Ess-, Schlaf- und Wohnzimmer und Toiletten haben, lernte aktuelle Boden-Quadratmeterberechnungen für sie kennen. Und was es mit Ringelschwanzprämien auf sich hat. Dabei erinnerte ich mich hoch auf dem langen Wagen daran, dass unsere eigene Hirnstruktur Ähnlichkeiten mit Schweinen hat (und Delphinen).

Ich lernte, dass der Adventsstern (alte Herrnhuter Machart, vielleicht heute aus China) am Laternenmast vor dem Stall zur Abwehr von Vögeln bzw. deren Schiet dient. Ich lernte, dass und wie man jährlich auf einer Fläche – Albrecht Thaer grüßt bewundernd aus dem Grabe! – zu zwei Ernten kommen kann. Jährlich!

Unsere Gesellschaft mit Caps (Männer, mit Reklame) und Strohhüten (Frauen, ohne) war gut behütet und hörte noch besser zu. Sie konnte ergänzen und fragen wie im Seminar und machte zwei Reaktionsmuster sichtbar: Nicken = „Ich stimme zu“ und Nichtnicken = „Ich mach es anders“.

Ich lernte weiter, warum Tierschutz und Umweltschutz sich manchmal nicht grün sind und warum hier doch. Oder: Wie verschieden nicht nur die Stiefelpaare sind bei Umweltschutz und Klima-Schutz, sondern dass das Stiefelpaar sich schon in der Binnenstruktur noch mehr unterscheidet als jeder Partner im menschlichen Paar.

Ich lerne, was ein Landwirt macht, wenn er keine Lust mehr aufs Melken hat und wie er zu einer Eigenjagdgenehmigung kommt. Lernte, dass ein Baum in der Fläche nur bis zu seinem 21. Geburtstag ein Baum ist. Danach ist er Wald.

Ich weiß, dass der Landwirt aus dem Klappern der Sojabohnen Vieles heraushören kann, was ich nicht höre. Ich, der Hörprofi.

Weiter lernen: Wie der Landwirt heute mit Wissenschaft (Ostfalia = Nachfolge der alten Wiesenbauschule in Suderburg) kooperiert. Und - wie alle Wissenschaften auch – projektiert, experimentiert, improvisiert. Kurz: Veränderungsbereitschaft als Lebensgrundlage.

 

 Ich lernte auch Soziologisches und weiß jetzt, was Schein-Schwiegereltern sind (die von unverheirateten Paaren). Und - dass Biertrinken bei 29 Grad in der Sonne gar nicht merkbar ist. Ich merke mir, dass rotweinbespritzte weiße Teppiche nur kräftig gesalzt werden müssen. Dann sind sie am nächsten Tag sauber.

Sauber war das Ganze, würde ich – wenn ich Bayer wäre – sagen. Informationen kann jeder vermitteln. Aber mit Herzblut wirken sie wie Liebeserklärungen. An das Land. Danke dem Herzblut vom Vorsitzenden Erich Reckermann-Gälger, seinem Kollegen Karl Harleß und meinem Nachbarn Carsten Schulze, der selbst (meine) ahnungslose Frage, welche Pflanze „Vorfrucht“ zeige , ernst beantwortete. Dank den hinter (manchmal vor) ihnen stehenden Frauen. Für alle genannt: Christel Dehning, die die Kasse führt („kein Geld ohne Auskunft“) – und noch viel mehr.

27. Juni 2023