Eifersucht
Sie hört nie auf, die Eifersucht. Genauer: Selbst dort, wo Paare klug mit ihr umgehen und beteuern, Eifersucht nicht zu kennen, tritt sie auf - wenn das Paar ein Kind bekommt. Jedenfalls oft: Da sieht der Vater die uneinholbar innige Beziehung seines Kindes zur Mutter und wird eifersüchtig, wird eifrig in seiner Sucht, sich da einzumischen. Oder er gibt zeitnah auf.
Das löst sich – meistens - auf, wenn ein zweites Kind kommt. Das kann dann vom Vater „besetzt“ werden. Soweit die Familiendynamik des letzten Jahrhunderts, die auch heute noch ein bisschen nachwirkt in unserer postmodernen Gesellschaft.
Aber dann – bei den Enkelkindern. Da befällt den Großvätern, die niemals auf Frau oder ein Kind oder Kinder eifersüchtig waren, die Eifersucht.
„Die beiden Omas habe ich viel mehr lieb als die beiden Opas“, hat Frau Bergmann gerade gehört. Und sich gefreut. Weil sie eine der beiden Omas ist. Mitgefühl mit ihrem Mann, einem der beiden Opas, äußert sie auch. Denn dieser und der andere Opa geben sich auch unheimlich viel Mühe, weil sie die Enkel auch unheimlich lieben. Und mehr Zeit für sie haben als für die eigenen Kinder damals. Da waren sie noch nicht in Rente.
Ich, seinerzeit begeisterter junger Vater, erlebte auch die depressiven Verstimmungen bei einem früheren Nachbarn, der damals Opa und gleichzeitig Rentner wurde und vorher LKW-Fahrer auf europäischen Landstraßen war. Während seine Kinder zuhause aufwuchsen.
Er holte die Zeiten als Vater nach: Für den Enkel las er alle Ratgeber-Zeitungsseiten für Kleinstkind- und Kleinkinderziehung. Er schob begeistert den Kinderwagen bis zur Erschöpfung und radelte sich mit dem älter werdenden Enkelkind im Kindersitz auf dem Fahrrad in Schweißströme hinein. Sein Haus steht am Steilhang.
Kaum zu Hause krähte das Gör die Oma begeistert an, die es noch begeisterter in den Arm nahm (positive Interaffektivität). Der Opa verglich die Intensität der Zuwendung und schnitt schlecht ab.
Heute rief Finja an, 4 Jahre, und ich war dran. Als keine Stimme hörbar wurde, schaltete ich schnellstens. Enkelkind! Ich säuselte in das Telefon so zärtlich wie ich konnte – es kam nichts. Außer hörbarer werdendem Atem.
„Ich will Omama sprechen!“, sagte Finja dann. Energisch, ohne jede Verbindlichkeit. Dabei hatte ich beim letzten Besuch Kasperle-Theater gespielt wie noch nie. Mit sechs Puppen und Rollen zwischen Polizist, Frosch, Affe und Prinzessin. Alle nacheinander lässt jede Stimme heiser werden lässt.
Zum Trost flüchte ich in meine Bücher. In denen lässt sich (z.B. vom uralten Sigmund Freud) lesen, dass Kinder ohnehin erst so um das 2.Lebensjahr bildungsfähig seien. Das tröstet aber nicht. Heutige Opas wissen das ganz anders. Aber Omas kennen halt die biologisch, biosozial und sensorisch uneinholbaren Vorteile von sich.
20. Juni 2023