Von Armen und Reichen

Ich war kürzlich bei den Reichen, die für Arme spenden.

Ich gehöre dazu. Zu den Reichen. Dass ich zu denen zähle, erzählte Herr Gürne (Wirtschaftsredaktion der ARD) fünf Minuten vor acht: Wer monatlich 1900 Euro hat (ein Paar erschien im Hintergrund der Präsentation), ist arm. Wer Euro 5500monatliches Einkommen hat, gilt als reich. Einkommensreich, betont Herr Gürne, nicht Vermögen. Danach sind alle Lehrerehepaare Reiche. Auch ohne Vermögen (Immobilien, Wertpapiere, Gold).

Ein dazwischen, zwischen 1900 und 5500 zeigte die Präsentation von Herrn Gürne nicht.

Da definiert der Verein „Historisches Uelzen“, der das „Uelzische Armenessen“ letzten Freitag mit Gottesdienst in St. Marien und Empfang samt Speisung im Rathaussaal initiiert, genauer: Nicht die Armen waren vom König, Dr. Jan König, zum Essen eingeladen, sondern wir Reichen, die die (einfache wie exzellent schmeckende) Suppe sehr gerne sehr ordentlich bezahlten. Und an den Verein Spenden überwiesen. Über Tafelausgaben, Bahnhofsmission u.a. Kanäle geht es dann wirklich an Menschen, die Notwendiges brauchen, um Nöte zu wenden (Essen, Trinken, Energie=Wärme…).

Eine Schicht der Geschichte dazu (aus der Einladung): Zum 625. Male fand dieses Uelzische Armenessen statt. Als Dankaktion des Rates der Stadt anno domini 1397 dafür, dass die ebenso lästigen wie finanziell belastenden Celler Welfen endlich verschwanden. Eigentlich war der herzogliche Hof mit Schranzen und Beamten nur auf der Rückfahrt von der Heirat einer Schwester. Aber die Hochzeitsfeier kann keine hohe Zeit gewesen sein.

Jedenfalls haben sie die Uelzener besucht, dann heimgesucht. Denn sie machten Uelzens Mauern von innen dicht, um sich innerhalb eben jener Mauern wie die Maden durch den Speck der damals rund 1000 Bürger durchzufressen. Die Uelzener mussten letztlich auch dafür zahlen, dass die Maden den Speck verließen. Richtung Celle.

Das Interessante an dieser Einladung in Gottesdienst, Rathaus und an die Suppen-Terrinen: Das Ritual des Essens für die Armen durch den Verein Historisches Uelzen hatte eine Schirmherrschaft (eine demokratische Herrschaft): Den „Worthaltenden Bürgermeister“ (der auch wortfähig ist) – und Seine Königliche Hoheit Heinrich Prinz von Hannover. Letzterer Nachfahre jener Welfenherzöge, deretwegen das Armenessen immer noch stattfindet.

Der Prinz war aber gar nicht da. Wer ihn als Verleger kennt, weiß, dass er sich nicht etwa schämt für das damals Angerichtete. Sondern deshalb den Schirm über das Armenessen hielt, um zu zeigen: Er will gutmachen.

Historisches gab es auch: Den spannenden Vortrag des neuen Stadt-und Kreisarchäologen Dr. Hensch zum Thema: „War Karl der Große im Jahr 804 in Holdenstedt?“

Er braucht nur Geld, um das zu beweisen. Vielleicht treffen wir uns zu einem weiteren Essen mit archäologischer Spendenrichtung.

29. November 2022