Von Jagdglück und -unglück

Ich lebe unter Landwirten, die jagen. Und ich liebe ihre Geschichten. Auch aufgrund meines Schuldbewusstseins, dass mein Jagdschein vor 57 Jahren zugunsten der Wissenschaft keinerlei Karriere machte.

Daher mein drittes Ohr für aktuelle Jagd-Geschichten wie diese aktuelle:

Benedikt heißt der Stöberhund (Springer Spaniel) von unserer Freundin Friede, die selbst mit Mann in Forst und Wald hegt und pflegt – und eben jagt.

Als Benedikt wuchs und Stöberhund wurde, erwies sich sein Name als zu lang. Außerdem unüberlegt. Benedikt (lat.) heißt „der Gesegnete“ und eignet sich mehr für Päpste als für Jägerinnen und Jäger. Heute muss man über Selbstgejagtes schon vorsichtig kommunizieren. Denn z.B. städtisch geprägte Menschen haben wenig Kenntnis und deshalb das Gegenteil von Humor, wenn es um Jagd geht.

Aus Benedikt wurde Bene und Bene machte Karriere. In all den Kursen war er toll und wurde immer wertvoller. Deshalb bekam er auch ein Halsband mit GPS, mit allen drei Telefonnummern von Friede und ihrem Mann (dienstlich, Familie, denn zu der gehören geliebte Hunde usw. usf.).

Jetzt ist Jagd und Friede und ihr Mann sitzen auf einen schon mehrfach ausgeäugten Bock an. Bene haben sie im Auto gelassen bei offener Hecktür. So wie immer. Für den Fall, dass es zum Schuss kommt und sie nachsuchen müssen, würden sie ihn rufen.

In dem spannenden Augenblick, als der geplante Bock auf die Lichtung tritt, summt das Handy von Friede und ihr Griff danach ist hektisch, weil jede digitale Schwingung, nicht erst Klingeltöne, jedes Jagdglück, jedes Star-Konzert und gute Predigt zur Sau machen.

„Wir haben Ihren Hund gefunden“, hört Friede, die das Handy an ihr Ohr quetscht. Noch steht der Bock.

„Sollen wir ihn Ihnen jetzt bringen – wir fanden ihn 300m vom Parkplatz entfernt?“

„Nein“, zischt Friede in den Hörer, „nicht jetzt, jetzt n i c h t.“

Es ist – jeder Vergleich hinkt, aber trotzdem - wie mit heiß ersehnten Kindern, die dann das elterliche Leben teilen. Aber doch nicht jeden Augenblick, der eben auch verschiedene Intimitäten beinhalten kann. Menschliche zwischen Menschen oder jagdliche zwischen Mensch und Wild.

Der Bock verschwand. Nicht wegen des Handys, sondern weil auch ich Friedes Zischen kenne. Das verjagt jeden.

Zur aktuellen Geschichte eine gewesene: Im Hösseringer Landwirtschaftsmuseum tranken wir Kaffee – lang` ists her - und hinter uns wuchs ein Chaos aus jagdfiebrigem Bellen, Todesschreien - dann die Ruhe nach dem meisten Sterben. Unser Dackel Butzemann hatte seltene Hühner abgemurkst. Alle sieben.

Der damalige Chef des Museums reagierte souverän. Er gab es nur an die Presse mit einer Karikatur von Butzemann. Ich kam davon.

21. Juni 2022