Klatschen in der Kirche

Was dies nicht ist: Eine Rezension der großen Musik am Palmsonntag in St. Marien. Die schreiben Beauftragte. Vielmehr ist dies eine Rezension des Klatschens als eine der verschiedenen Arten, in denen Publikum (wir) denen, die Hörenswertes bieten, Dank sagen. Oder eben nicht.

Der Schlussapplaus vorgestern Abend dauerte wirklich lange Minuten lang. Und das sagt alles. Nur - was sagt uns das Klatschen jener Individuen oder dieser Kleinstgruppe, die vor dem Großgruppenklatschen klatschte? Etliche lange Sekunden klatschten sie. Dort im rechten Seitenschiff vorne klatschten sie. Noch während der ausgestreckten zehn Finger klatschten sie – mit denen nämlich hält Erik Matz, der Dirigent, die Spannung des Ausschwingens des letztes Klanges (in B auf „ewiglich“) aufrecht . Zugunsten des dann eintretenden Raums für die Stille der Andacht.

Diese Art des Vorab-Klatschens kann mehrere Gründe haben.

Ein erster: Die Vorab-Klatschenden sind nicht nur dem schwerfälligeren übrigen Publikum weit voraus, sondern hervorragende Kenner der Bach`schen Johannes-Passion und wissen, mit welchem Schlussakkord dieser letzte Choral aufhört. Sie zeigen hohe Kompetenz.

Oder: Die Vorab-Klatscher sind randvoll mit einem besonders starken positiven Affekt  (in diesem Fall: Ergriffenheit). Ein solcher verlangt – wie jeder andere starke Affekt, egal ob positiven oder negativen Ursprungs - zeitnächste Kanalisierungen. Wir reden dann von Spontanverhalten.   

Oder: Die Vorab-Klatscher haben keine Ahnung (die Höflichkeit des Klatsch-Rezensenten verbietet in diesem Zusammenhang die Nennung des Substantivs „Klatsche“) von der Thematik dieser Musik (in diesem Fall: die Leidensgeschichte Jesu) und verwechseln sie mit dramatischer Oper. Da wäre das feedback für Solisten, Sänger und Dirigent in der Tat sofortiger rauschender Beifall. Also Klatschen, Trampeln, Bravo-Rufe.

Wir hatten Palmsonntag und Beifall geschah im alten Rom tatsächlich noch mit einem Palmenzweig (lat. corpus palmis) bzw. deren Klatschgeräuschen, wenn man sie auf die Erde schlug. Auch beim Einzug Jesu in Jerusalem wurde „geklatscht“. Mit Palmenzweigen.

Übrigens: „Vom Klatschen in der Kirche“ hieß eine Kolumne, lang, lang ists her, worin ich die Klatschen schilderte, die in dänischen Kirchen in Funktion waren. Dort waren Drei-Stunden-Predigten nicht selten und die Gemeinde schlief ein. Die Kirchenvorsteher gingen dann umher mit diesen Lederklatschen und klatschten (leicht) auf die Hinterköpfe der Gläubigen.

Sowas ist bei Vorab-Klatschern nicht nötig. Es würde reichen, wenn man ihnen eine solche alte Klatsche - auf eine der Hände legt.

Für alle Klatschtypen gilt in fünf Tagen: Frohe Ostern und viele Eier dürften blau-gelb angemalt sein.

12. April 2022