Prinz und Pastor und Professor

Den Namen unseres Welfenprinzen Ernst August kennen wir leider in Verbindung mit Prügelattacken sowie dem Titel, den manche Medien sich so ausdenken. „Prügelprinz“.  

Dann gab es einen schlagenden Pastor leider nicht nur im Film „Das weiße Band“. Ein Prügelpastor also, weil die Grenze zwischen Schlagen und Prügel eine fließende ist. „Leider“ deshalb, weil es eben die „schwarze Pädagogik“ nicht nur im Schulwesen gab (jahrhundertelang von der Kirche kontrolliert), sondern tiefschwarze Pädagogik eben auch in Pfarrhäusern.

Nun also ein Prügel-Professor. Einer, der an der Göttinger Uni auch schlug. Doktorandinnen. Nachdem er sich zuvor in sein Dienstzimmer einschloss. Eben mit denen. Nacheinander.

Entdecken wir in immer schnellerem Tempo immer schlimmere Typen, von denen wir sagen, dass sie „nicht mehr bei Trost“ sind?

Zurück zu seiner königlichen Hoheit. Ihn in den gleichen Pott mit anderen schlagenden, prügelnden Vorbildern werfen, wäre schlicht uninformiert. Seine Prügel-Ausfälle sind krankheitsbedingt gewesen. Eine Stoffwechselerkrankung mit ihren Störungen der Impulskontrolle ist schwere Belastung. Für den Patienten. Und seine Umgebung.

Krankheitsbedingte Schlägerei konnte der Pastor im Film „Das weiße Band“ nicht geltend machen. Auch nicht die alkoholkrank gewordenen ersten Missionare und Pfarrer, die in der Einsamkeit von Ländern im eisigen Norden oder heißesten Süden von Mutter Erde auch die Impulskontrolle verloren.

Auch nicht die Täter vom sexuellen Missbrauch in kirchlichen Institutionen und weltlichen Heimen hier.

Auch nicht die schlagenden Elternteile, in deren Atmosphäre Gewalt für Kinder oft lebenslange Gewöhnung daran ausprägt. Erst als Opfer, dann Täter.

Auch nicht der mit Bambusstab schlagende Professor.

Zurück zu dem „nicht bei Trost“ sein von immer mehr Zeitgenossen, meistens meinen Geschlechtsgenossen.

Das Wort „Trost“ hängt mit der Wortfamilie zusammen, zu denen „trauen“ gehört, Ver-trauen, Zu-Trauen. Das Kind verliert es, Frauen verlieren es, Studentinnen und Studenten.

Vorbilder, die schlagen und prügeln, die zerstören nicht nur das Vertrauen zu ihnen, sondern stören leider gleich ganze Gruppen mit.

Ob Professoren oder Pfarrer, Väter oder andere Erzieher – wer prügelt oder schlägt, schlägt auch sich. Er wird mit Vertrauensverlust geschlagen.

Eine Kollegin aus Russland schrieb mir, sie schäme sich für die, die diesen Krieg anfingen und damit nicht aufhören. Fremdschämen nennt sich solch Schämen. Ich fremdschäme mich auch. Und will weiter Vertrauen haben können. Und erhoffen.

05. April 2022