Vom Lachen im Krieg

„Mein lieber Junge! Ihr müsstet jetzt zwischen den Kampfeinsätzen nochmal in Kiel einlaufen und Post bekommen. Ich schicke Dir sicherheitshalber gleich mehrere Witzgeschichten auf Vorrat, damit Du und die Kameraden genug an Bord zum Lachen haben. Bis zur nächsten Post mit Liebe von uns allen hier – Dein Vater“.

Abgeschickt war der Brief im Mai 1943. Der Absender war Pastor Wilhelm Voigt in Celle, mein Großvater. Adressat war sein zweitältester Sohn Hermann, Kadett und mit 17 Jahren Mitglied einer U-Bootsbesatzung. In einer der Wartezeiten auf den nächsten Einsatz begann Hermann in seinem Kojenbereich einen der Witze zu erzählen, die er noch aus Friedenszeiten von seinem Vater wusste. Witze über Pfarrer, Pastoren, Priester. Eine andere Sorte wusste sein Vater auch kaum.

Schon die ersten Witze von Hermann kursierten an Bord wie warme frische Brötchen in Friedenszeiten an Land – und man verlangte mehr davon. Je schlimmer der Krieg sich entwickelte. In den Briefen von zuhause lagen jetzt immer neue Kirchenwitze und die Sucht danach wuchs. „Hermann – haste nicht noch einen von Deinem Vater – im Kopf?“

Wer den 14. Dalai Lama, das Oberhaupt des tibetanischen Buddhismus einmal in kleinerer Runde kennenlernen durfte, lernte auch, wie sehr wichtig die tibetanischen Mönche bei ihrer Flucht aus den heimatlichen Klöstern das Lachen gerade in größten Ängsten um Leib, Seele und Geist nahmen. Und sie das Lachen für die Menschheit gerade in schwersten Krisen empfahlen.

Auch wer als Pastorin oder Pastor hierzulande Beerdigungen hielt und hält, erlebt die Nähe von Tod und Leben. Denn zu einer „guten Beerdigung“ gehören Kaffee und Kuchen und Anekdoten über den Toten. Sie können Bestandteil der Trauerarbeit sein.

Der 17 jährige Hermann las und erzählte seinen Kameraden die Pfarrerwitze. Etwa diese:

Stoßgebet eines Atheisten in Todesangst: „Gott, wenn es dich gibt, rette meine Seele - - wenn ich denn eine habe.“ Oder speziell über Geistliche: Petrus führt einen Neuankömmling durch den Himmel. Aus einem Raum dringt ohrenbetäubender Lärm.

„Das ist die Abteilung für Vikare, Kapitäne, Diakone“, sagt Petrus entschuldigend. Bei der nächsten Tür informiert Petrus, dass dahinter die Pfarrer, Pastoren, Priester, Bischöfe und noch höhere Ränge sind. „Und warum ist es da so mucksmäuschenstill?“

„Weil bis jetzt noch keiner da ist.“

Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade“ ist eine weitere Sammlung, die nicht nur in Kirchenkreisen süchtig machte. Etwas von der Leichtigkeit dieses Titel strahlt in Ängste, in Trauer ab.

Hermann`s Ein-Mann-Torpedo löste sich Ende 1943 beim Abschuss nicht von der Granate, nahm ihn mit in sein Ziel und dann zum Meeresboden. Bei der Trauerfeier für ihn erzählte einer seiner Ausbildungsoffiziere von – eben den Witzen und ihrer Auswirkung.

15. März 2022