Kriegerisches
Sie sind wie Geschwister: Der persönliche Frieden in uns und um uns – und die persönliche Gesundheit. Wir denken an sie - wenn sie sich entziehen. Wenn ein Pflaster nötig ist – oder eine große OP am Körper. Oder die Seele zur Not-Wendung Begleitung sucht.
Das gleiche erleben wir im Kollektiv: Jetzt ist der kollektive Frieden krank, in der Gänze bedroht – und überall wird operiert.
Der Krieg prägt um. Gesichter von Nachrichtensprechern, Ansprachen von Landesvätern und Landesmüttern, Stadt-Vätern und Stadtmüttern, Vätern und Müttern von Landkreisen. Der Krieg prägt um die Andachten und Predigten derer, die predigen.
Die Schlagzeilen der Papier-Zeitung oder der im Display sind wieder welche: Schlagzeilen. Sie schlagen einem den verlassenen Frieden in Augen, in Hirn und Herz.
Unsere Wörter derzeit sind keine Wörter mehr. Sie sind Appelle. Das Wort kommt von appellare, lat. und hat anspannende Bedeutungen: Bewegen, herantreiben („Puls“ gehört zur weiteren Wortfamilie). Um Beistand anrufen.
Das „appello“ (s. Appell) wendet sich an das Gegenteil, an die Putins dieser Erde. „Ansprechen“, „Zur Rede stellen“, „belangen“…Eine Wortfamilie und in ihr alle Widersprüche dieser Welt.
Musik kann dies auch. Appellieren. Oft mehr als Wörter: Der deutsch-russische Pianist Igor Levit spielte jetzt vor seinem Programm die ukrainische Nationalhymne. Der russische Dirigent Vladimir Jurowski, dirigierte sie mit seinem Rundfunksinfonieorchester Berlin und in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg konzertierten am vergangenen Samstag ukrainische mit russischen Musikstudierenden…crossing borders, grenzüberschreitend.
Das alles reicht, um den Puls, den Im-Puls der Hilfen für die Ukrainer hochzutreiben. Auch für die Russen, die für die Ukraine mit Wort und Ton demonstrieren. Hier und in Russland.
Zurück zu den Wörtern, die hier in der Region wie weltweit als Appell in die Welt gehen. Die ersten Wörter der ukrainischen Hymne, die als Gedicht 1862 vor der Selbständigkeit der Ukraine geschrieben wurde, sind diese: „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht verloren…“. Das „noch“ sollte anklingen an das bekanntere „Noch ist Polen nicht verloren…“
Stabilisieren wir uns, destabilisieren wir Putins Russland-Träume, appellieren wir und/oder beten wir – was immer wir tun, es wird helfen, dieses „Noch“ eines Tages als Dichtung der damaligen Zeit zu verstehen, weil die moderne Ukraine im Dauerzustand westlicher Freiheit lebt. Letztere haben wir - Gott oder an wen der Mensch glaubt, sei Dank - nicht „noch nicht“.
Die Geschwister „Frieden und Gesundheit“ sollten unvergesslich sein – auch wenn wir sie (wieder) haben werden.
08. März 2022