„Du bist ein Engel!“
Manche Schenkende hüten ihr Geschenk, tun heimlicher denn je damit. Und warten, hoffen auf die überraschte Reaktion bei der Bescherung. Vielleicht träumen sie von Ausrufen wie „Du bist ein Engel!“ Das sei vielen Schenkenden gewünscht.
Obwohl Onkel Otto in Mägerkingen aus der Schwäbischen Alb schon in einer hinterlassenen Heiligabend-Predigt von 1952 auf der Kanzel tat, wozu Kanzeln auch da sind: zu warnen. Onkel Otto warnte also: „Erwarte keine bestimmten Reaktionen. Dann freut sich der Beschenkte noch mehr.“ Onkel Otto kriegte später auch seine Bescherung: Gleich drei seiner Enkelkinder studierten Psychologie, die er immer abgelehnt hatte. Nicht die Enkel, die Psychologie.
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„Gott ist auch Geld – und Geld ist nicht immer ein Abgott“, meinte Omchen Martha. Nach ihrem 85. Geburtstag schenkte sie meistens Geld zu Weihnachten. Sie machte sich nicht mehr die Mühe, in der Runde ihrer Kinder (fünf) und Kindeskinder (14) rumzufragen, was sich wer denn wünsche.
Anfangs hatten ihre Kinder noch pädagogische Bedenken, als Omchen den heranwachsenden Enkeln zu früh Geldsäckchen mit handgeschriebenen Namensschildern in die Hand drückte. Nur silberne Markstücke, später Euros. Nochmal später hatten die Eltern von Omchens Enkeln keine Bedenken mehr. Weil sie sich selbst Geld erhofften und auch kriegten. Allerdings in Scheinen. Was lange nicht so weihnachtlich klingelte.
Als Omchen Urgroßmutter wurde, bekamen auch die jüngsten Küken Geldsäckchen. Aber ohne Namensschilder und weniger darin. Es waren inzwischen zu viele und das Konto mager. Omchen ist jetzt 94 und weiter fit.
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Jule (8) kriegt jetzt Heiligabend ungewünscht, aber nötig, einen Kopfhörer für die Schule. Und zwar auf Anraten von Tante Uschi, die Lehrerin gewesen war.
„Der Lärm in der Klasse heute ist krank machend. Hyperakusis ist die Folge“, prophezeite Tante Uschi, „überhöhte Lärmempfindlichkeit kann chronisch werden.“ Tante Uschi ist die, die nach einer Beratung wegen ihrer beginnenden Schwerhörigkeit auch wieder Urlaub macht. Mit ihrem Hörgeräteakustiker.
Vor kurzem waren die Kopfhörer noch die Instrumente, mit denen der Mensch sich Musik und andere Geräusche zuführte. Heute also sollen sie Ruhe für das überstrapazierte Hören schaffen helfen.
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Was auch immer geschenkt wird - der weihnachtliche Sinn ist damit nicht garantiert. Viel mehr ist der Sinn von Weihnachten gesichert durch das „wie“, wie es geschenkt wird. Donnerte Onkel Otto auch an jenem Heiligabend.
Und noch ein Schwabe: „Habt Ehrfurcht vor dem Sinn“, sagt Emil Sinclair (ein Pseudonym, das Hermann Hesse nutzte). „Aber haltet ihn nicht für lehrbar.“
21. Dezember 2021