Hofklatsch
Früher war Hofklatsch in unserer Gegend die Hauptbeschäftigung von zu wenig Beschäftigten in Celle, Hannover, Braunschweig, Lüneburg, Wolfenbüttel. Als es dort noch fürstliche Höfe gab.
Der Hofklatsch, den mir Alexander heute zutrug, stammt von einem Hof im Nachbarkreis. 180 Hektar. Seit weit mehr Generationen in der Familie als die Belgier Könige haben. Der Hof ist kerngesund und brachte neben Holz (viel eigene Forst), Galloway-Rindern u.a. auch vier Töchter und zwei Söhne hervor.
Im Hofklatsch geht es um Ursula (Name leider geändert, Datenschutz), kurz Uschi. Um Uschis Männerverschleiß. Uschi war damals ausbezahlt worden und wurde Zahnärztin. Ob es das Vermögen war, mit dem sie ausbezahlt wurde oder ihre eigene Praxis – jedenfalls standen die Männer Schlange und einer wurde ihrer. „Liebste“ nannte er die Uschi.
Drei Jahre war er das. Dann wurde es ein anderer. Wieder Hochzeit, wieder Gäste. Auch der neue Mann sprach von Uschi als seiner Liebsten.
Er sprach das wohl ein knappes Jahrzehnt. Dann kamen der dritte Mann und zur Hochzeit noch mehr Gäste als je zuvor.
Um es abzukürzen: Uschi hat sich ausgerechnet in der Pandemie nochmals scheiden und neu heiraten lassen. Und das, obwohl doch das Heilmittel gegen die Pandemie das Fernbleiben von neuen Menschen, die Distanz voneinander ist. Frei nach dem Schriftsteller Daniel Kehlmann.
Mit dem Neuen von Uschi kam jetzt etwas wirklich Neues. Der Neue spricht von Uschi nicht mehr von seiner Liebsten, sondern von seiner Allerliebsten.
Was sagt uns der Hofklatsch nun auf der höheren Ebene als der Klatsch es ist? Er sagt uns, dass die Zukunft nun begonnen hat, sogar in unserer Provinz. Vorausgesagt hat uns das jene Forschergruppe (Soziologinnen und auch männliche – logen darunter) der Universität Bielefeld. Die hat vor Jahren das Modell prognostiziert, dass eine postmoderne Gesellschaft, die wir seien, in Puncto Partnerschaften besser mit „Lebens-Abschnittspartner-Verträgen“ fahre, als mit den bisherigen Ehestrukturen. Auch diese Zeitung berichtete damals darüber (genauer der Kolumnist). Das Bielefelder Projekt wurde sogar bezuschusst vom Bundesfamilienministerium für Familie, als dieses noch „Gesundheit“ im Namen führte.
Diese Uschi zählt allerdings nicht ganz zu dem neuen Modell von Partnerschaft, das von den Bielefeldern erforscht und empfohlen wurde. Deren Modell sah nur notariell abgesicherte Verträge zwischen den Liebenden vor. Nein, falsch, von Liebenden war da nie die Rede, eben nur von Partnern (noch ohne „Innen“ und „Sternchen“). Uschi hat ihre Männer und diese sie hingegen noch klassisch geheiratet. Mit allem Drum und Dran.
So wie es auf den Höfen eben auch schon gewesen war. Ich meine an den Höfen. An den fürstlichen von ehedem.
14. September 2021