Die Sonne Satans
Weiterer Urlaubsbericht - Heißes betreffend. Hitze. Meteorologische Hitze. Nicht die der heißen und verzehrend leidenschaftlichen Liebe, die George Bernanos Roman mit der Sonne Satans im Titel beschreibt. Liebe, die mehr verboten war als erlaubt, weil sie eben auch manchmal den katholischen Klerus befällt.
Das Buch fiel mir aus zwei Gründen ein: Weil ich hier im sommerlichen Italien beim nervenzehrenden Stop-and-Go von der Uferstraße aus ab und an Ordensschwestern und Geistliche in ihrem vollen Ornat vor Kirchen und Krankenhäusern entdecke. Und weil sowohl wir im Auto als auch die Schwestern, Priester und Mönche und überhaupt wir alle hier unter der Sonne leben. Mit immer noch 35 Grad um 20, 30 Uhr nach Sonnenuntergang auf der Terrasse. Bis 39 Grad mittags. Dabei haben wir es gut: In Neapel sind es schlappe über 40 Grad.
Die Sonne Satans fiel mir auch ein, weil ich jetzt verstehe, wieso das in der Kunstgeschichte so ergiebige Thema „Hölle“ immer nur mit Feuer und Flammen, also mörderischer Hitze verbunden wird. Nie mit Gletschern, klirrender Kälte und Eisbildungen. Das Mörderische, das Gemeine an der Hitze in der Hölle ist eben, dass sie die darin Sitzenden gar nicht mordet, sondern nur ewig grillt. Jedenfalls soll sie das. Empirische Belege gibt es ja in der Ewigkeitsforschung nicht. Weder für den Himmel, noch diese Sonne Satans.
Ab knapp unter 40 Grad kleben die Finger aneinander, sie kleben an Tastaturen und Keyboards, die nicht im Fokus von Ventilatoren betippt werden. Die Lippen Liebender suchen umsonst leidlich trockene Haut, um nicht auch noch da festzukleben.
Was machen wir hier unter der Sonne Satans? Ermahnen, dass die Holzläden vor Türen und Fenstern bei Sonnenaufgang zugeklappt werden. Ermahnen, dass Sparen hier zum Wahnsinn treibe und der Ventilator mindestens auf Stufe 2 blasen soll. Energievergeudung um sich der Sonnenenergie zu wehren.
In einer Kirche mitsamt Krypta (Untergeschoss für privilegiert beerdigte Promis) entdecke ich im Umfeld des Sarges vom Hl. Antonio Kühle, die mich zutiefst dankbar an die berechenbare Kühle unserer Ostheide erinnert. Schon in Undeloh scheint mehr Sonne und die werde ich künftig meiden. So meine Planung.
Unser Johann Wolfgang (von Goethe) wurde mal auf seiner Italienreise verhaftet. Weil er vor einer malerischen Festung eben diese zeichnen wollte, was der Spionage gleichkam. Wenn sein Verlies so gewesen sein sollte, wie die Krypta vom Hl. Antonius – dann ist es hier in bella italia gegenwärtig ein Privileg, eingelocht zu sein. In angenehmer Kühle.
Bernanos`Sonne Satans hat natürlich ganz andere Themen. Das zerlesene, angefledderte Taschenbuch, das mir vor sechzig Jahren von Burkhard empfohlen wurde wegen der verbotenen Liebesszenen, fiel mir nur ein, weil es hier unter Sonne eben höllisch heiß ist.
24. August 2021