Schnellverwesung

Unsere Gemeinde wird – vielleicht – „Pilotkommune“, also würdig eines Modellversuchs in Sachen Schnellverwesung. Denn ein Unternehmer hat der Gemeinde den Vorschlag gemacht, den Körper von uns in nur 40 Tagen zersetzen zu lassen. Natürlich erst, wenn wir gestorben sind. Unter Wahrung der gewünschten Pietät

Das Ganze interessiert mich zunehmend wegen der Frage, was für mich und meine Hinterbliebenen am schönsten wäre: Klassische Beerdigung (Holzsarg), Seebestattung, Sarg, Urne  (bei den Amerikanern oft auf dem Kaminsims und wir haben einen) oder Friedwald. Hier im Dorf sagt mir das Ritual sehr zu, dass Jungbauern und Feuerwehr, also lebendige Nachbarn, den Sarg des toten Mitbürgers tragen. Jedenfalls vor der Pandemie, denn während derselben konnten die Träger den gesetzlichen Körperabstand zwischen sich unter dem Sarg ja nicht einhalten.

Als Segler gefiele mir auch Seebestattung, weil die Kinder sich dafür geradezu begeisterten. Opa schenkt schlussendlich noch einen Kurzurlaub auf der Ostsee.  Ebenso liebäugelte ich bisher auch mit der Vorstellung, mich im Familiengrab in Celle-Neuenhäusen betten zu lassen. Aber da ist schon Platznot wegen der gewesenen Großfamilie.

Nun dieser neueste Schrei für die ewige Stille. Re-erdigung. Mit Humus. In einem Stahlbehälter, sogar Edelstahlbehälter, würde mein Körper zwar nicht auf Rosen gebettet. Aber auf einer Mischung aus Holzspänen, Stroh und Klee. Vielleicht vierblättriger darunter.

Das Angebot des Unternehmers an die Gemeinde sieht vor, dass ich, d.h. meine sterbliche Hülle, garantiert in 40 Tagen durch diese „Zersetzer“ beschleunigt aufgelöst bin, inklusive Knochen und Zähne. Obwohl – ich hänge an dem Totenkopf meines Vaters auf meinem Schreibtisch. Ich meine den Totenkopf, den mein Vater schon auf seinem Schreibtisch stehen hatte als Zeichen seiner Gelehrsamkeit und von wegen memento mori (gedenke des Todes). Mein Schädel hätte mit der Humus-Methode von vornherein keine Chance auf wessen Schreibtisch auch immer zu landen, weil Gelehrsamkeit ausgedient hat. Umgebettet und neu entdeckt würde ich nach einer Re-erdigung auch nie. Dabei ist das hochspannend.

Dann die 40 Tage bis zur endgültigen Auflösung. Da spielt die Bibel mit hinein. 40 Tage war Jesus in der Wüste zu seiner geistigen Läuterung. Die Parallele hat der Unternehmer klug berechnet, dass wir auch in 40 Tagen geläutert werden. Allerdings nur physisch, nicht psychisch wie Jesus.

Schließlich: Humus waren wir und würden wir wieder, nur – wie alles in dieser Welt - schneller denn je. Mit Reerdigung würden wir auch wieder schneller zum Ernährer. Denn Humus dient der Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen. Durch mich in meinem Edelstahlcontainer?

Ach nein. Wenn schon keine Mitbürger meinen Sarg auf den Friedhof tragen - dann bin ich lieber bleibende Erinnerung auf dem Kaminsims.

03. August 2021