Neue im Dorf

Jedes Dorf ändert sich, wenn ein neues Haus gebaut wird, in das Neue ziehen. Je kleiner das Dorf desto höher die Aufmerksamkeit: Wer kommt da? In unserem sind wir um die 140 Seelen. Klar, dass die Neuen getestet werden. In mehrerlei Hinsicht. Auf Viren sowieso. Darüber hinaus auch im Blick auf kommunikative Fähigkeiten.

Die Neuen kriegen nun auch eine neue Nummer für ihr neues Haus. Keine Straßenadresse.

Dass wir keine Straßen haben, erkennt der Neue daran, dass man am Brink (die City des Dorfes mit Rasenplätzchen, Findling und Laterne) auch nur drei längliche Schilder sieht, auf denen Nummern stehen, die kein städtischer Gast kapiert. Die Nummern sind wir. Bzw. es sind die Häuser, in denen wir leben und die in der Reihenfolge aufgeführt sind, wie sie gebaut wurden. Zwischen dem 17. Jahrhundert und heute.

Wie nun verändern die Neuen unsere Straße, die keine ist?

Er ist Lehrer. Ein Beruf von höchster Wichtigkeit für Gegenwart und  Zukunft unserer Kinder und Enkel, aber eben doch glücklicherweise häufig, weil wir (noch) häufig Kinder kriegen. Im Dorf haben wir außerdem schon drei davon (Lehrer). Aber der Beruf der neuen Nachbarin, der ist sensationell – für die Statistik! Ihr Beruf ist erstens nicht so häufig – sie ist Tierärztin. Aber – und das ist das Sensationelle -  im Haus neben ihrem neuen Haus wohnen schon zwei Tierärzte! Drei Tierärzte in einem Dorf mit 140 Einwohnern wären allein schon statistisch spannend. Aber drei Tierärzte in einem Dorf, die unmittelbare Nachbarn sind! Drei Veterinäre (zwei davon „Innen“) so dichte bi!

In Kreisen der Statistiker spricht man in diesem Fall von „Häufungen“. Sie regen natürlich die forscherische Neugier an.

Ein Grund könnte für die Häufung sein, dass wir extrem viel Vieh im Umfeld haben. Haben wir aber nicht. Die letzten Kühe wurden an unserem Haus vorbeigetrieben, als wir gerade die Neuen im Dorf waren. Über ein Dritteljahrhundert her.

Eher könnten es die vielen Pferde im Dorf und Hunde in unserer Straße sein. Aber sie sind nicht „Vieh“, sondern Familienangehörige. Außerdem sind sie kaum krank. Und selbst wenn – sie könnten nicht mal einen halben Tierarzt ernähren.

Weitere Möglichkeit: Unsere Tierärzte sind hergezogen, weil sie hier ihre viehfreie Freizeit finden.

Oder: Die erste veterinärmedizinische Community? Entfällt, weil das Grundstück frei ausgeschrieben und daher von optional Vielen hätte gekauft werden können.    

Was immer: Die Neuen sind hinsichtlich Viren wie auch kommunikativ nun auf dem Richtfest getestet und sehr negativ. Nein, ich meine sehr positiv. Nein, ich meine doch negativ. Auf Viren. Und sehr positiv auf – na, Sie wissen schon.

25. Mai 2021