Muttertag – Großmuttertag
Etliche Großmütter sehen im Muttertag die Gelegenheit, ihre Töchter – die Mütter ihrer Enkel – vom Disstress aktiver Mutterschaft zu entlasten. Weil auch ihre Mütter schon dasselbe anboten. Im Idealfall zusammen mit jeweiligen Vätern. Und Großvätern. Und Schwiegersöhnen. Erst recht in Zeiten der Pandemie. Die gehört längst zum Tagesablauf der Familie.
„Ich brauche immer zwei Tage Erholung“, sagte Herr Bergmann kurz vor dem Muttertag bei einem (erlaubten) Festessen, weil Frau Bergmann 60. gefeiert hatte.
“Toll, wenn sie kommen. Ich liebe unsere Kinder.“ Herr Bergmann wischte imaginäre Schweißtropfen von der Stirn, „aber nach zwei Tagen…“
Jetzt waren sie bei uns. Kinder, Enkel, Schwiegersohn. Zwischen 2 und 41 und alle unter Muttertagsstress, Mütter, Großmütter besonders. Und wie immer wechselt Chaos zu Struktur und zurück. Unter spanischer Sonne der Ostheide.
„Die - Kinder-kommen!“ Die Rufe, Schreie der Wiedersehensfreude. Autoleerung von mitgebrachten Schnuffeltüchern und Spielzeugen in der Größe der Kinder, ein Kamel größer als alle. Die Kescher für Kaulquappentransfer am Teich, Pampers-Päckchen, Klappbett, Baby-Phone. Ein Barby-Rettungswagen zur Barby-Puppenwelt mit rotem Kreuz. 40 cm hoch.
„Mit richtiger Sirene!“ Digitales lässt grüßen. Aria, der Hund, spielt nicht verrückt. Er ist es. Wegen der Sirene und der Vervielfachung von Liebesobjekten und deren Beweisen. Wie bei uns Menschen, bei denen zu wenig Liebe ebenso Probleme auslöst wie zu viel.
Geschenkübergabe und Dankeslaute in etwa gleicher Lautstärke (45 bis gefühlte 80 Dezibel). Die Aperitif-Willkommensrunde wird verkürzt. Die Schatten der Sonnenschirme warten im Stall. Als wir sitzen, um auf Mütter und Großmütter (die vorkochten, vorbuken) anzustoßen, drängt ein Windelwechsel. Rein und rauf ins Bad. Dort tobt die Kleinste, weil draußen das echte Leben tobt. Ohne sie. Mit ihr wird die Mini-Laudatio auf Mütter eine Mikro-Laudatio, weil jemand am Teichrand Kaulquappen fischen will. Gerenne um dessen Leben.
Über uns schwebt der Bussard, weshalb jemand beim Hochgucken das Milchglas über das Sonntagskleid kippt. Wirklich süß, Kind und Kleid. Mit dem Hund muss gespielt werden, dessen Stoffball mit Handschlaufe aber oben im Baum hängen bleibt. Barby-Rettungswagen, Kescher und Schwiegersohn
(1, 92m lang) treten in Aktion. Dazwischen gibt’s Spargel. Nach dem Nachtisch die Kleinsten ins Bett, für die älteren Kinder Kasperle-Theater mit Life-Musik.
Trügt mich meine Erinnerung und Muttertage waren früher anders? Ein Gedicht aufsagen oder anderes Selbstgemachtes und das war`s? Ansonsten ein Verwöhnungstag für Mütter? Sie trügt: „Laurentia, liebe Laurentia mein“ oder „die Reise nach Jerusalem“ führten zum Grad derselben Erschöpfung wie bei Bergmanns und mir heute.
Aber, bei Gott, wir lieben sie. Unsere Mütter und Kinder.
11. Mai 2021