Prinz Philip und ich
Jahrelang habe ich seinen Namen jährlich mehrfach ausgesprochen. Wenn ich früher in Suderburg und später in Ebstorf eine Straße entlang ging. Mit Christine. Denn da ging ich auch meistens hinter ihr her. Wie Prinz Philipp bei der Queen.
Jedes Mal habe ich mir vorgenommen, ein Büchlein zu schreiben. Titel: „Das Prinz-Philipp-Phänomen“.
Prinz Philipp geht immer hinter seiner Frau. Immer! Nicht nur wie bei uns, die wir – entsprechende Erziehung vorausgesetzt – einer Frau beim Eintreten in einen Raum den Vortritt lassen. Einen solchen Mann nennt man nicht ohne Grund im Deutschen einen Gentleman. Das Deutsche hat keine vergleichbare Beschreibung. Aus demselben Grund.
Prinz Philipp ließ seine Queen aber auch aus demselben Grund vorgehen wie ich Christine. Und viele, viele andere Männer auch, deren Frauen Lehrerinnen sind. Denn Königinnen und Lehrerinnen müssen immer winken. Mindestens parat sein zum Winken. Voraussetzung: Beliebtheit.
Beliebte Lehrerinnen winken mal mit links, mal mit rechts. Prinz Philips Queen nur mit der Hand, die nicht die Handtasche hält.
Lehrerinnen winken meist beidseitig, weil sie von beiden Seiten von Schülerinnen und Schülern angewinkt werden. Vom gegenüberliegenden Bürgersteig aus. Von Rücksitzen eines Autos aus. Oder von noch älter gewordenen Schülern vom Lenkrad des eigenen Autos aus.
Einmal sah ich die altgewordene Realschullehrerin Sophie Wichelmann in Ebstorf Radfahren. Man musste Angst um sie haben, weil sie ständig angerufen, angewinkt wurde.
Ich lebe (zu gerne) damit, dass ich auf den Wegen mit Christine zurücktreten muss, wenn sie zurückwinkt. Ich war eben keine jahrelange oder jahrzehntelange Lehrerin an einer Schule eines kleinen Ortes. Ich war woanders.
Prinz Philip nicht. Er war immer, fast immer, mindestens sehr, sehr oft „an ihrer Seite“. Ein bisschen zurückgesetzt.
Je länger eine Königin oder eine Lehrerin eine solche ist oder war, desto mehr Generationen sind es, die sie anwinken. Winken ist Wiedersehensfreude. Winken ist Beziehungsfreude. Freude am Bezug, den man zu jemandem hat. Weswegen die Psychologie solche Menschen „Bezugsperson“ nennt.
Ich ertappte mich beim Flimmern eines kurzen Filmausschnittes mit dem winkenden Prinz Philip (da war er gerade gestorben), dass ich – fast – die Hand gehoben hätte, um zurückzuwinken. Er war auch Bezugsperson. Und – wie die Queen sagte – ihr allerwichtigster Berater. Auch eine Art Lehrerin, dieser Gentleman.
20. April 2021