Der Ton macht`s – auch bei Angela
Die Kanzlerin bat uns um Verzeihung. Eine Lektion.
„Sei nicht so frech!“ - das hört jedes Kind. Manche Kinder hören: „Wenn du Mist baust – dann setzt es was“. Ob das dann Abzug vom Taschengeld ist oder eine (hierzulande)längst unter Strafe gesetzte Ohrfeige oder Schlimmeres. Oder ob Drohung „nur“ Drohung bleibt – das entscheidet später über gute oder schlimme Erinnerung an Elternhäuser.
Wenigen Kindern wurde dies beigebracht: „Wenn Du frech warst oder Mist bautest – dann entschuldige d i c h !“ Was dazu führt, dass solche Kinder, wenn sie erwachsen sind, immer noch sagen „Ich entschuldige m i c h…“. Obwohl die Eltern wissen müssten, dass man sich nie selbst entschuldigen kann. Nur der andere. „Uns`Angela“ hat das offenbar gelernt.
Das (ehrliche) Bitten um Entschuldigung führt oft zu der erleichternden Erfahrung, dass der Gestank des Mistes, den man baute, sich schnell verzog. Ja, dass manchmal der Entschuldigende („ich nehme die Entschuldigung an“) sogar beim Abtragen des Resthaufens mithalf.
Angela Merkel bat nach der nächtlichen Fehlentscheidung letzte Woche nicht um Entschuldigung - sie bat um „Verzeihung“.
Auch wenn Google und sogar gründlichere Wörterbücher wie der große Wahrig u.a. „Entschuldigung“ und „Verzeihung“ mischen und das eine mit dem anderen erklären, strahlt ein Satz wie „ich bitte um Verzeihung“ eine andere Dimension aus.
Die Geschichte(n) des Entschuldigens sind eher kleine. Man bittet z. Bsp. den lieben Gott nicht um Entschuldigung für Fehlverhalten. Auch nicht den Lebens-und Liebesgefährten bei Betrug oder Freunde, Kunden bei Vertrauensverlust. Ebenso diskutabel sind die „Entschuldigungen“, mit denen wir das Kind wegen Krankheit in der Schule abmelden. Was hat da „Schuld“ oder Entschuldung zu suchen?
Jenes Fräulein Martha meiner Kindheit stickte wie wild fromme und andere Sprüche auf Geschirr- und andere Tücher. Einer war: „Wenn du sündigst, bitte um Verzeihung“.
Fräulein Marthas gab es auch woanders.
Nun hatte die Kanzlerin nicht „gesündigt“, sondern eine „absonderliche“ Idee in ihrem Kabinett eingebracht. Nebenbei: Die Sprachwurzel von „Sünde“ wird auch nur mit „sondern, absondern“ verbunden. Dem Absondern von klügeren Plänen galt die Bitte um Verzeihung.
Das Wichtigste am Verzeihen (und Entschuldigen) sind aber gar nicht die Worte, sondern der Stimmklang, die Prosodie. Eine gereiztes „Verzeihung“, ein gemurmeltes „Tschuldijung“ ähnelt dem „sorry“ und verschlimmbessert.
Die Bitte um Verzeihung der Angela ist authentisch, klug und ehrlich. Ich verzeihe zu gern! Weil auch ich hier und da auf Verzeihung angewiesen war und bin.
30. März 2021