Vom Schlechtmachen
„So geht das nicht weiter!“, keuchte der Untererzengel Gabriel der Kleine.
„Reg dich ab“, beruhigte der Erzengel Gabriel der Große den Kleinen. „Um uns abzuregen sind wir im Himmel!“
„Aber – aber es rumort doch hier im Himmel inzwischen, als wenn hier die Pandemie herrscht. Besserwisserei bei den Juniorengeln. Dein Erzengel-Kollege Georg prangert totales Versagen an. Vorschläge und Gegenvorschläge gibt’s kaum mehr…ach, Chef…“
„Typisch Trump“, murmelte der Erzengel und notierte das Problem für den Rapport beim Allerhöchsten. „Jetzt versucht Trump schon zu Lebzeiten auf unsere Ewigkeit abzufärben.“
Im Ernst: Die Spaß- und Freizeitgesellschaft ist am Ende der Hoffnung auf ihre schnelle Genesung. Der Staudamm, der unsere verschiedenen Aggressionsimpulse in Folge eingeschränkter Grundrechte hielt, bröckelt. Es bröckeln auch Formen unseres Umgangs miteinander. Destruktives hat mal wieder Hochkonjunktur.
Da sagt jemand im online-meeting einer medizinischen Fakultät, dass er den Spahn eigentlich ganz tapfer findet – und erntet Hohn. Virologen, Impfstoffhersteller, Landräte, Bürgermeister, Chefärzte erläutern, dass Fehlerlosigkeit unmöglich ist - wenn es um das Managen von Unvorhersehbarem geht und finden sich im Abfalleimer der sozialen Netzwerke, wo diese dann asozial werden.
Habe ich nicht gerade kritische Blicke geerntet, als ich sagte, wo ich soeben als Notfall behandelt wurde? Habe ich daraufhin meine Erleichterung zu wenig laut gesagt, wie gut und glücklicherweise in unserer nächsten Nähe die Behandlung der Folge meines Ausrutschens auf Schnee möglich war? Support ist out. Skandal ist in.
Wir rutschen inzwischen woanders gefährlicher aus als auf Schnee und leben anderen Folgen entgegen als nur Knochenbrüchen. Es bricht anderes aus und auf:
Wegen Trump wird wieder mehr über „Narzissmus“ nachgedacht. Narzissmus macht uns Menschen menschlich, ist gesund. Jenes „Ich werde geliebt, also liebe ich mich“ der Kindheit entwickelt sich weiter zur Fähigkeit, das Du, das Gegenüber zu mögen. Günstigenfalls sogar Menschen grundsätzlich zu lieben.
Eine Sonderform ist der „maligne“ Narzissmus, der nicht gesund ist. „Malus“ (lat.) bedeutet schlecht und maligner Narzissmus meint, den anderen, die anderen, nicht zu kritisieren, sondern schlechtzumachen. Dafür gibt’s immer Fangruppen.
Für alle zivilen, wirtschaftlichen und politischen Wahlen und ihre BewerberInnen gilt, sich fragen zu lassen, ob sie für etwas oder nur gegen jemanden kandidieren.
„Reg dich ab“, wiederholte Erzengel Gabriel der Große zu Gabriel dem Kleinen, der immer noch hyperventilierte. Er warf die Zettelnotiz für den Rapport vor dem Allerhöchsten in die Altpapiertonne. Für das jetzige Drama auf Erden muss einfaches Beten reichen.
09. Februar 2021