Goldige Zeiten
Meine Bank schickt mir per Anzeige Angebote für den Ankauf von Gold. Größere Barren, kleinere Barren, größere Münzen, kleinere. Sogar auf Raten könnte ich Gold ankaufen. Die kostenlose TV-Programmzeitschrift streut gleich breiter und bietet alle bisherigen Bundespräsidenten in Gold an.
Gründe dafür: Wir sollen kein Geld liegen lassen. Das kostet nämlich bald noch mehr Geld, Geld zu haben. Das Gute daran: Es gibt Probleme, die ich nicht habe.
Dafür eine Erinnerung, was Großmutter zu dem eisern-zinkversetzten kleinen Henkelkrug und den fünf Tellern gleichen unansehnlichen Materials sagte: Das sei die Gegengabe des Staates – für Goldabgaben. Gold gab ich für Eisen.
Die Prinzessin Marianne von Preußen war eine der ersten, die an ihr Volk appellierte, Gold für Eisen abzugeben. Präziser: Sie appellierte nur an die Frauen wegen Gold-Schmucks. Das war 1813 und wir waren hierzulande besetzt von Napoleon und seiner weitläufigen Familie – alles in unmittelbarer Folge der Aufklärung, der ihr folgenden Revolution. Ach ja, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und dann neue Kaiser und Könige…
Gold nicht für uns zum Kaufen, sondern für die Freiheit von den napoleonischen Truppen. Gold, um mehr eiserne Kanonen und andere Waffen beschaffen zu können.
Großmutter war nicht stolz auf diese Stücke, die aus dem 1. Weltkrieg stammten, wo auch um Gold für Eisen gebeten wurde. Jedoch nicht für einen Befreiungskrieg, sondern für einen Angriffskrieg. Ihre Eltern waren noch stolze Patrioten und für den Kaiser, ihr Mann hingegen stolzer Pazifist.
Der Krieg gegen das Virus COVID 19 und dessen neu hinzugekommenen Familienangehörigen ist nicht mit einem militärischen Krieg zu vergleichen, aber hat eine Ähnlichkeit: Alles was der Staat und die Staaten heute dagegen unternehmen, ist ein Unternehmen, um frei zu sein von ihm, dem Napoleon unter den Viren. Ein Befreiungsakt.
Was wird von uns, von denen, die befreit werden sollen, verlangt? Allerlei: Das Ertragen von Eingriffen in alle Lebensbereiche einschließlich Existenzgrundlagen, einschließlich der von Kindern und Jugendlichen und deren heutigen Groß- und Urgroßeltern.
Es wird kein Gold erwartet, sondern Disziplin verlangt. Diciplina (lat.) heißt auch Allerlei: Unterweisung, Kenntnis, Bildung, Lehrmethode. Der „Disciplinatus“ war ein Mensch, der geschult gebildet war.
So schwierig die jetzigen Zeiten sind: Sie bilden uns, schulen uns weit mehr als Goldankauf. Je eiserner wir inzwischen schon krisengeschult bei der erwarteten Disziplin bleiben, desto zügiger werden die Zeiten wieder goldige Zeiten.
26. Januar 2021