Von Teufel, Pandemie und Trump
„Die ist gut,“ sagte mein Hausarzt am Telephon, „die klau ich Ihnen und brauch sie gleich weiter!“
Zuvor war es um das gegangen, weswegen man zum Arzt geht oder ihn anruft: einen selbst. Dann um das, was gegenwärtig alles und alle treibt und umtreibt oder ratarm-, ratlos stimmt. Und wie sich das alles auswirkt auf uns. Wir wissen schon…
Sein Team erlebt die kleinen Auswirkungen im Wartezimmer. Ich erlebe sie in Online-Sitzungen. Viele von uns an Supermarkt-Kassen und in Schlangen, wenn diese nicht korrekt schlängeln: Ge– und Überreiztheit. Gegenüber sich selbst und anderen. Verunsicherung bis Angststörungen, neuen, reaktivierten.
Pandemie je länger je mehr und Lockdowns kurzintervalliger, dafür härter. Dazu die Folgen der Bilderfolgen von den Stürmern im Capitol und einem nochpräsidialen Chamäleon, switchend zwischen seinen kranken Affektspitzen.
Zwei Krisenströme sind die Grenze der Belastbarkeit für Kollektive und nur ein bisschen mehr für Individuen – sagen Forschungen, die den Umgang mit Krisen und Konflikten erforschen. Wieder andere forschen, wie man sie umgehen kann und fühlen sich als Nachfolger des Heilands.
„Der Teufel sei im Spiel,“ sagt natürlich kein aufgeklärter Mensch mehr. Aber ein anderer Begriff für ihn, den Teufel, lesen wir und hören wir derzeit: „Diabolisch“ sei die Gegenwart.
Was mein Hausarzt klauen wollte, ist nur eine Übersetzung aus dem Altgriechischen, für dessen Lernen (tote Sprachen) man durchaus auch belächelt wird in Zeiten von Engeneering, Digitalisierung, Neuklimatisierung.
Der „Diabolos“, griech., hängt zusammen einmal mit dem Verb „ballein“, von dessen Wortkern alle unsere Ballspiele seit der Antike zwischen Murmeln, Golfen und WM leben. Spielen heißt es. Dann das „Dia“ vor dem „ballein“. Es meint „durch, hindurch“ und ergibt zusammen mit dem „Werfen“, dass der Diabolos der Durchwerfer, der Durcheinander-Werfer ist, von dem, was vorher als eben nicht so durcheinander erschien. Die Buchstabenübersetzung beweist es: Der Teufel ist im Spiel.
Kennen Sie noch „Dias“? Die quadratischen Schilderchen, durch die der Projektor Licht hindurch schickte und die Mutter am Strand von Rio oder den Onkel in Oberstdorf an die Wohnzimmerwand warf. Diaabende waren ein optimales Einschlafmittel, diese erzählenden Stimmen, bunte Bilder vorne, im Schummer des abgedunkelten Zimmerlichts). Da waren wir es, die mit den Bildern spielten. Jetzt sind wir die Bespielten.
Wiederum Kulturwissenschaftler kennen das „Dia“ vom „diaphanein“ (hindurchscheinen), das spannende Bezüge zum epi-phanein (darüber scheinen) besitzt und damit zu dem frisch hinter uns gelassenen Epiphanias-Fest.
Ist ja gut, ich höre schon auf, mehr Bildung gehört nicht hierher. Auch mein Hausarzt brauchte nicht mehr. Aber er brauchte die Info über den Diabolos, den Teufel, um das „Durcheinandergeworfensein im Spiel“ als gelassene Bezeichnung für die Welt zu nutzen, in der wir gerade leben. Infektiös, hoffentlich bald verimpft, entrümpelt von Zertrumplern.
12. Januar 2021