Vom Feste feiern, wenn sie fallen
Wissen Sie noch, was ein Diener ist? Nein, ich meine nicht den, der bedient und im großen Britannien den hohen Rang eines „Butler“ inne hatte und hat. Ich meine den Diener, den man – auch früher – noch selber macht: Kurzes Neigen des Kopfes und mitsamt Brustkorb um 45 Grad beugen.
Einen solchen Diener mache ich zum Ende des Jahres als Zeichen meiner Achtung, nein, Hochachtung vor denen, die 2020 besondere Jubiläen, öffentliche wie persönliche, feiern wollten, dies aber nicht durften – und trotzdem nicht in Frustration fielen.
Das Wort aus dem Lateinischen „frustra“ (wörtlich „vergeblich“) findet sich im inflationär oft hörbaren deutschen „Frust“. Den drücken wir aus, wenn wir etwas vergeblich taten oder erwarten durften oder auch nur erhofften.
Meinen Diener mache ich vor Tante Erni, die ihren 90. – eigentlich – groß mit Zelt feiern wollte. „Ich feiere eben 2021“, beschied Tante Erni, in 90 Jahren klein geworden, aber mit Großkatastrophen groß und nüchtern. „Dann sehe ich auch wieder besser“. Tante Erni ist für die 2. Augen OP angemeldet.
Der Bürgermeister der Stadt Uelzen ist vergleichsweise ein Jüngling, aber zeigte auch keine öffentliche Frustration gegenüber den ungefeierten Festen zur 750. Jahrfeier der Stadtrechte. Verschoben sei nicht aufgehoben.
Tante Erni und der Markwardt und viele andere, die sich oder andere feiern wollten (40, 50, 60, 70, 75 oder eben 750 Jahre oder die silberne, goldene, gar diamantene und eiserne Hochzeit) trösteten sich und die vorbereitenden Festkomitees mit „Verschiebung“ auf das nächste Jahr. Auch etliche Vereine und Betriebe gibt es, die nicht aufgeben durch aufheben und ihre runden Jubiläen eben verschieben.
Ich ziehe vor allen diesen Jubilaren meinen Zylinder und mache meinen Diener.
Für alle diese Tapferen nachfolgend die Lebenserfahrung der Schildkröte Esmeralda im gleichnamigen Kinderbuch: Esmeralda macht sich wie alle anderen Tiere auch auf zur Hochzeitsfeier des Königs der Tiere. Einem Löwen natürlich (wie im Wappen Uelzens und tausend anderen Wesen, die auf sich halten). An Esmeralda vorbei eilen, hasten, hetzen, jachern sich ab die vielen anderen Tiere, um pünktlich zur Vermählung des Königs zu kommen. Esmeralda kommt auch pünktlich zur Hochzeit des Königs an und feiert mit. Es ist nur die Hochzeit des nächsten Königs.
Machen wir es wie Esmeralda. Feiern wir bei „nächster Gelegenheit“. Was sich nicht verschieben lässt, ist der Jahreswechsel. Ich werde Silvester nochmals „dienern“ vor den Tante Ernis und den Stadtoberhäuptern und Unterhäuptern angesichts ihres frohgemuten Durchtragens. Ihnen allen, die Sie dies lesen, wünsche ich 2021 neue Durch – und Überblicke. So wie Tante Erni sie nach der OP auch haben wird.
29. Dezember 2020