Vorbescherung

Ich habe Christine vorbeschert. In Notfällen darf man den Lieben schon vor dem Fest etwas schenken. Ein solcher Notfall tritt ein, wenn den Liebsten vor dem Fest etwas schwerfällt, was mit dem Geschenk deutlich leichter wäre.

Christine liebt den Garten, aber nur bedingt das Laub im Herbst. Dieses Jahr hört der Herbst einfach nicht auf, weil sich das Laub trotz unzählbarer Schubkarren-Abtransporte mit Laubhügeln vermehrt. Schuld an diesem Ausgleich für den übergroßen Genuss des Grüns von Frühling und Sommer ist Vertumnus, der römische Gott für Jahreszeiten. Christine träumt inzwischen nicht mehr von Laubhügeln, sondern von Nebel-, Matterhörnern und Kilimandscharos aufgetürmtem Laubs.

Frau Meyer hat dasselbe Problem. Obwohl sie – wie Christine – bestens durchtrainiert ist, hat sie sie: Laubhark-Verspannungsschmerzen. Bzw. hatte sie das Problem. Erst hat ihr Mann sie professionell massiert, dann hat er aber auch vorbeschert und gekauft, was Frau Meyer das

Leben im Garten erleichtert und ihren Mann noch mehr lieben lässt.

Beides wollte ich jetzt auch und habe Christine vorbeschert. Einen Laubsauger. Nein, hatte schon Frau Meyer mich korrigiert. Nicht Laubsauger, sondern Laub-Gebläse. Ein solcher Bläser pustet auf dem Gras klebende und an unmöglichen Strauchecken sich rätselhaft vermehrende Blattleichen im Nu hinaus und treibt sie – wie Jahnckes Hütehunde – zu kleinen übersichtlichen Haufen zusammen. Transportfertig für die Schubkarre.

Ich bescherte also vor Hl. Abend mein Hauptgeschenk und Christines Muskeln, Sehnen und Faszien zeigten sofortige Wirkung. Der Zuwendungszuwachs für mich auch.

Dies Dings ist nun bei uns die 22. Unabhängigkeit vom Stromnetz in unserem Haushalt aufgrund Akkubetrieb. Um 1880 begann die Elektrifizierung in Deutschland. Bei uns hier viel später. Bevor die letzten am Stromnetz waren, begannen die ersten mit Batterien. Jetzt sind die Akkubetreiber dran und wir gehören dazu. Stichwort Laubsauger, nein, Laubgebläse.

Der erste mit Akkubetrieb war ich. Trockenrasierer, dann Taschenlampen. Friederike hatte im Sommer die letzten Schreie durch einen Roboter, der Rasen mäht und einen anderen, einen, der Staub im Haus bläst. Nein saugt. Jetzt schreit Christine den letzten Schrei. Dank meiner Vorbescherung des Laubbläsers.

Dachte ich. Doch Christine bescherte mich jetzt auch vor. Auch wegen Notfall bzw. dessen Vermeidung: Wegen nachgewiesener  Unfähigkeit im Umgang mit Advents-und Weihnachtskerzen abspricht, gibt es ab sofort nur noch akkubetriebene Advents- und demnächst Christfestbeleuchtung. Bis in mein Studierzimmer hinein. Sie laubbläst draußen. Ich soll drinnen mit akkubetriebenen Kerzen sinnieren.

Der Versprecher (Saugen, Blasen) ist einfach zu erklären: Menschen sind Säugetiere und fangen ihr postnatales Sein nun mal mit Saugen an, welches sich ein Leben lang fortsetzt mit Strohhalmen, Zigaretten, Bleistiftenden, Bonbons und überhaupt viel anderem Süßen.

Vorbescherungen sind erlaubt. Im Notfall.

15. Dezember 2020