Unter der Laterne…

…vor dem großen Tor

Das Lied ist mit der Stimme von Marlene Dietrich und Lale Andersen immer noch für lebende Kriegsteilnehmer in Deutschland und in den Völkern der damaligen Alliierten, darunter heutiger EU-Partner, ein wehmütiges Lied. Eines über Liebe und Abschied und möglichen Tod.  

19:40 Uhr am Freitag, 30. Oktober 2020. Da erhielt die erste Strophe des Liedes nicht nur für mich eine neue Bedeutung - unter der Laterne gegenüber dem großen Tor des Neuen Schauspielhauses. Im Nieselregen.

Um 20 Uhr hätte ich aus dem Jubiläumsband „40 Jahre Kolumnen“ aus dem Hause dieser Zeitung lesen sollen. Aber der Veranstalter und ich waren nach den brandneuen Bestimmungen des neuen Lockdown einer Meinung: Nicht am Freitag vor dem Lockdown auf Teufel bzw. Virus komm raus die Veranstaltung in  „durchzuziehen“. Schamuhns Erbe verdient kein Durchziehen.

Aber – sagten wir uns („wir“, das sind Christiue und ich) wir sollten dahin fahren und diejenigen, die die Absage nicht mehr rechtzeitig in der Zeitung lasen, „trösten“. Vielleicht würden wir da allein stehen, weil alle Bescheid wussten. Vielleicht kämen aber zwei oder drei, denen man persönlich den neuen Ersatztermin mitteilen könnte, Und ein Büchlein als Trost in die Hand drücken.

Christine packte eine kleine Tasche mit Trost. Sicherheitshalber mehr Trost als nötig sein würde.

Wir waren keine Minute allein, dann kamen sie – die Fast-Besucher der Lesung. Erst einer, dann zwei, dann mehrfach zwei mal zwei. Um acht Uhr standen knapp 20 der Inhaber längst vorbestellter Plätze unter der Laterne. 35 wären erlaubt gewesen.

Ich wiederholte das Ziehen meines Hutes, wiederholte mein Bedauern und meine Solidarität mit Gesundheitsminister und Robert Koch-Institut und Christine wiederholte den Griff in die Tasche mit den Trostbüchlein.

Erst zeigte sich Verständnis über die Absage. Dann wuchs das Amüsement über die Begegnung „Unter der Laterne“. Ohne Regen hätten wir die neueste Form von Lesungen kreiert: im Freien, im Stehen.

Der Idee, zum weiteren Trost kurz vor dem Lockdown eine Kneipe zu besuchen, folgten zwei Menschen, die auch die Kneipe aussuchten. Die heißt zum „Teufel“, gebildeter: „Mephisto“. Das aber ist nicht das Erwähnenswerte. Vielmehr dass die beiden Pastor und Pastorin sind, die uns in die sympathische Hölle abschleppten. Und auch noch die Zeche zahlten.

Falls der 18. 12. ebenfalls nicht zustande kommt  - ich bin wieder da. Und werde lesen. Unter der Laterne vor dem großen Tor – stand eine Laterne und steht sie noch davor - so wollen wir uns wiederseh`n – bei der Laterne wolln wir steh`n…

Gott sei Dank nicht, wie einst Lilli Marleen.