Folgen der Freiheit

„Sperr mal Tiere länger ein (Aunsahme Faultiere). Oder Menschen (Ausnahme Stubenhocker). Sie drängen bei erster Gelegenheit mit einer Kraft raus, die sie ohne vorheriges Eingesperrtsein nicht zeigten“, dozierte Alexander auf einer Party (mit Abstandsregel usw.). Er doziert zu gern und schloss einen Kurzvortrag über konstruktiven und destruktiven Aggressionsstau und dessen mögliche Folgen an.

Diese Folge des Staus von  Corona ließ kürzlich einen Motorradfahrer unüberhörbar sich in unsere Dorfstraße verirren. Samstagnachmittag zur besten sonnig-warmen Lunch-Kaffee-Nachmittagszeit auf der Terrasse (SWLKZT). Er bog in die (Sack-) Gasse ein und die Motorradliebhaber spitzten die Ohren. Keiner sah die Maschine, aber sie blubberte fast auf der Höhe unseres Hauses. Sie drehte hörbar, drehte auf und entfernte sich so, dass man allein übers verzückte Hören auch den Chromglanz sah und die jedes Landgestüt übertreffenden Pferdestärken des Motors schätzen konnte.

Der Verirrte tat uns den Gefallen der Wiederholung des Genusses und machte am Brink nochmal kehrt, blubberte sich crescendierend wieder in unsere Nähe (Luftlinie ca. 30 Meter) und entfernte sich aufdrehend, diesmal um den Brink herum. Und kam zurück, entfernte sich wieder, Blubbern und Aufdrehen abwechselnd. Und nochmal. Und nochmal..

Auf der Terrasse fing man an zu zählen. 18, 19 – 23. Genuss, wenn er zu lange wiederholt wird, verflacht, provoziert das Gegenteil. Um die 30. Kehre herum wuchsen die Überlegungen zu einer Rettungsstrategie für das SWLKZT (sonnig-warme-Lunch-Kaffeenachmittagszeit auf der Terrasse). Kurz: Gegenwehr gegen den Traum. Nur gegen wen?

Wer war das für den Fall, dass es jemand aus dem Dorf war? Wir gingen zwischen dem geschätzten 30. und 35. Mal die Häuserreihe durch nach pubertierenden Jugendlichen ohne Führerschein. Der Landwirt an der  Ecke – nein, war aus dem Alter raus, war Bauer und Jäger, hatte genug freie Luft. Dann der Arzt, der von Motorrad und Opfern die Nase voll haben dürfte, um den Junior zu stoppen und mindestens außer Hörweite zu üben. SS-Wege (Säufer-Schleichwege gibt es überall um uns herum.

Der Nächste, schräg gegenüber, ist fahrradsüchtig, 30-40 km täglich. Direkt gegenüber von uns ein Kirchenmann, der Öko verteidigt, demnächst E-Auto fährt.

Christine, die Besonnenste, ging. Zurück brachte sie  SWKZT-Ruhe mit. Jene himmlische Ruhe, die auf Erden möglich ist.

Sie habe gesagt, wie toll der blubbernde Traum sei und dann zu dem Fahrer, dass „es nervt“. Der Fahrer waren drei, einer eine Fahrerin. Mit Sohn und zugehörigem Vater. Das Team hatte auf der Sackgasse einen Parcours aufgebaut und trainierte.

Das Thema danach auf der Terrasse: Warum Alexander nicht rausgegangen sei? Verdeckter Neid auf die Maschinen? Ansonsten hat er schon recht: Die Freizeit nach Corona-Engen gebiert Seltsames.

11. August 2020