Seitab von Corona
Ort des Geschehens: Ein Dorf, ähnlich wie unserem. Nur haben die ihre Kirche im Dorf samt Prediger. Außerdem Kindergarten, Schule, Fußballplatz und einen Polizisten. Es lebt sich gut dort, weil alle dies Dorf lieben. Wie bei uns.
Die Handlung:
Rieke, Alexanders geliebte jüngere Tochter (er hat nur zwei) lebt und liebt dort: ihren Enno, ihre beiden Söhne und ihren Mann. In umgekehrter Reihenfolge. Enno ist ein edler Springerspaniel und hinterlässt auf dem Weg zum Wald oder durchs Dorf oder vorzugsweise am Fußballplatz beim Waldesrand manchmal Unedles.
Rieke, ganz ordnungsliebende Bürgerin, Alexanders Tochter eben, hebt dies Unedle immer sofort mit dem schwarzen Kunststofftütchen auf und versenkt es im nächsten Abfalleimer. Dem am Fußballplatz. Auch jetzt, vor wenigen Tagen.
Da nähert sich ihr in dieser abendlichen, dörflichen Einsamkeit von hinten ein Polizeiwagen und darin der dorfeigene Polizist. Er lässt die Scheibe herunter, grüßt freundlich und fragt, ob sie auch der Absender der anderen schwarzen Tütchen sei. Die nämlich machten dem Platzwart hier am Fußballplatz das Leben schwer. Dort, wo doch Sport und Hygiene und reine Luft wichtig seien.
Die Fürsorge des Polizisten ist verständlich. Denn er fungiert als Trainer des Fußballclubs.
Rieke nickt, versteht und ärgert sich trotz des Verstehens darüber, dass ihr Selbstbild einer gewissenhaften Entsorgerin gestört ist. Schließlich entsorgen die meisten anderen Hundebesitzer im Dorf ihre Hinterlassenschaften nicht so sorgfältig wie sie.
Wegen dieses Ärgers mit ihrem gestörten Selbstbild – ganz Alexanders Tochter - geht Rieke in die offizielle Sprechstunde der ortseigenen Bürgermeisterin. Sie fragt bescheiden, wie das mit den Hinterlassenschaften denn nun zu handhaben sei im Sinne des Gesetzes zur Reinhaltung des Bodens und überhaupt.
Die Bürgermeisterin ist nicht nur ganz, sondern doppelt Ohr. Denn sie, die Bürgermeisterin liebt auch, nicht nur einen Hund, sondern deren zwei. Auérdem singt sie mit Rieke im Chor.
Beide wälzen Gesetzestexte und Rieke wird zweifach aufgeklärt. Erstens hätte der Polizist Rieke nur als Fußballtrainer in seiner Freizeit ansprechen dürfen. Nicht aus dem Dienstwagen. Zweitens: Solange nicht extra Abfallbehälter im Dorf mit dem Hundelogo darauf stehen, darf jedes schwarze Tütchen in jeden Abfalleimer geworfen werden.
Die Bürgermeisterin wird jetzt die Aufstellung der ordnungsgemäßen Abfallbehälter für speziell solche Tütchen veranlassen. Auch am Fußballplatz. Dahinein darf dann aber kein anderer Abfall als der von den Hunden. Keine Getränkedosen, Pizzareste. Weder von Fußballern noch von Fans.
Und die Moral von der Geschicht: Nicht erst Regelabweichungen oder – brüche verändern die Gesellschaften, sondern auch Regeleinhaltungen. Man denke nur an die Maskenpflicht und andere Corona-Folgen. An die wir heute hier gar nicht denken.
30. Juni 2020