zwoelf (Die Zeitung der Hochschule für Musik und Theater Hamburg), Ausgabe 10, Sommersemester 2012

 

 

Brückenbauer zwischen den Disziplinen Hans-Helmut Decker-Voigt emeritiert


von Hermann Rauhe*

 

Schon als er 1971 als Fachhochschullehrer an die Evange­lische Fachhochschule für Sozialwesen nach Düsseldorf - ­Kaiserwerth berufen wurde und den Aufbau der Musikab­teilung mit ersten vorsichtigen Lehrangeboten für Musik­therapie wagte, setzte er sich mit meinem Ansatz der Musiktherapie auseinander, den ich vor dem Hintergrund meiner klinischen Untersuchungen zur Antriebsförde­rung durch Musik in der neurologischen Rehabilitation von Schlaganfällen zusammen mit dem Neurologen und Psychiater Robert-Charles Behrend entwickelt hatte.

Innovative Gründung
Hans-Helmut Decker-Voigt konzipierte maßgeblich das Curriculum des ersten berufsbegleitenden Diplom- Aufbaustudiengangs Musiktherapie, in dem das dezen­trale Prinzip eines berufsbegleitenden Aufbaustudiums nach amerikanischem Vorbild erprobt wurde. Diese innovative Hamburger Gründung orientierte sich spe­ziell am Masterprogramm für Ausdruckstherapie des damaligen Lesley-College in Cambridge.

1978 übernimmt unsere Hochschule die Verantwortung für das zweijäh­rige Musiktherapieprojekt „Ausbildung der Ausbilder in Herdecke“. Es wurde persönlich durch den damaligen Wissenschaftsminister und späteren Bundespräsidenten Johannes Rau ermöglicht. 1985 erfolgte die genannte Einrichtung des berufsbegleitenden Diplomaufbaustudiengangs. 1989 wurde die Fachgruppe Musiktherapie in das Institut für Musiktherapie umgewandelt. Nach der Emeritierung von Johannes Th. Eschen wurde Decker-Voigt zu dessen Direktor berufen.
Seit 1993 profiliert sich der neue Promotionsstudiengang Musiktherapie durch eine Reihe bedeutender Dissertationen. Im selben Jahr wurde die Forschungs- und Beratungsstelle für Musikerkrankheiten gegründet, sie bildete die Grundlage für die Entwicklung der Präventionsforschung und Präventionspraxis. Die Durchführung des 8. Weltkongresses für Musiktherapie im Hamburger Kongress-Zentrum CCH im Juli 1996 mit 2000 Teilneh­merinnen aus 54 Nationen war ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Faches, ebenso der Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen dem Institut für Musiktherapie unserer Hochschule und dem Universi­tätsklinikum in Eppendorf. Danach dient das gesamte Universitätsklinikum als Lehrkrankenhaus für den Stu­diensang Musiktherapie: Das ist eine internationale Sensation.

Hamburger Modell ist Vorbild
Das Maßstab setzende Wirken von Hans-Helmut Decker- Voigt wurde von Anfang an großzügig unterstützt durch die Hannelore und Helmut Greve Stiftung für Kultur und Wissenschaften. Die Arbeit des Instituts für Musiktherapie erhielt einen erheblichen Aufschwung durch den Bibliotheksneubau, den Hannelore Greve persönlich finanzierte. Sie fördert auch die Entwicklung des ersten staatlichen Studienprogramms für Musiktherapie an der Budapester Universität nach dem Vorbild des Hamburger Modells und die Einrichtung eines Masterstudienprogramms für Musik­therapie. Dafür erhielt die Mäzenin die Ehren­doktorwürde dieser Universität. Auch an der Rostropovitch-Hochschule im russischen Orenburg wird ein Studienprogramm für Mu­siktherapie nach dem Hamburger Modell eta­bliert: Dafür erhielt Decker-Voigt die russische Ehrenprofessur.
Nach seinem Ausscheiden als Institutsdi­rektor widmet sich Decker-Voigt vornehmlich der Musiktherapie und Lehrmusiktherapie, der Psychotherapie, Hypnose-Therapie, Supervision und Lehrsupervision sowie dem Coaching für Führungskräfte. In seiner Privatpraxis hat er vor dem Hintergrund eigener Erfahrung des Verfolgtwerdens im Internet als Schwer­punkt die Behandlung von Opfern des Cyber-Mobbings. Außerdem ist er als Buchautor, Herausgeber und Kolum­nist tätig: Auch hier setzt er immer wieder Maßstäbe. Seine Publikationen sind in elf Sprachen übersetzt. Er nimmt Cast- und Stiftungsprofessuren in Japan, Taiwan, Ungarn, Estland und Russland wahr.

Was ich an Hans-Helmut Decker-Voigt immer wieder bewundere, sind seine Begeisterung, sein Charisma, seine Vitalität und seine Vielseitigkeit. Sein Wirken bewegt sich im Schnittfeld von Wissenschaft, Praxis, Kulturmanage­ment und Schriftstellerei. Er ist Brückenbauer zwischen den Disziplinen und Ländern.

 

* Professor Dr. Dr. h.c. Hermann Rauhe war 26 Jahre lang Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, er ist jetzt ihr Ehrenpräsident.