Von ge- und misslungenen Krönungen

Die erste Krönung meines Lebens, die von „der Queen“, war ein Muss. Wir mussten alle in den Bus, der uns vom Saalfelder Kindersanatorium oben über Oberstdorf runter in das Dorf in einen Saal transportierte. Was jetzt Kino war, war sonst Festsaal der Gastwirtschaft. Da lief die UFA-Wochenschau in Schweiz/Weiß mit einer Stunde Krönung der Königin, die - natürlich - auch so hieß wie meine Mutter.

Ein provisorischer Kinoraum, ein s/w- Film und eine echte Prinzessin, die vor unseren Augen Königin wurde.  

Für die zweite Krönung – die von Charles III. – wollte ich nicht so viele Stunden meines Lebens investieren wie die ARD. Aber doch abends eine kleine Zusammenfassung.

Nichts. Wegen zu vieler und zu empfindlicher Medien. Und wegen des Sturms auf der Insel, der die SAT-Schüssel für das TV-Gerät vom Dach gefegt hatte. Modern, autonom wie wir heute sind, hatten wir beide Laptops.

Deren Life-streaming-Sendungen wurden unterbrochen oder gar nicht gestartet. Nur die atmosphärischen oder anderen Götter oder Hackerkämpfer wissen, warum.

Die normalen Nachrichtensendungen - auch nichts. Auf keinem der fünf verschiedenen Geräte.

Was sagt mir das?

Das Einseitige (der Oberstdorfer Kinosaal, die Wochenschau) war berechenbarer als die digitale Weltenvielfalt von heute.

Nun sind wir als Kreisuelzener und Lüneburger im Blick auf Internet und Handyempfang Enttäuschungen gegenüber bestens trainiert. Handys gehen erst an der Hahnschen Weide.

Enttäuschungsprophylaxe heißt das heute: Es wird vermutlich wieder nicht klappen.

Enttäuschungen sind aber immer auch positiv, weil sie zeigen, dass das vorher Angenommene sich als Täuschung erweist. Das betrifft die verhütete oder abgebrochene Fernseh- oder Handyempfängnis im Kleinen wie im Großen: Das Wunschkind kommt nicht, die Liebe geht, der Wunschkanzler begnügt sich mit Bayern und die grünen und andere Politik-Lieblinge werden ungeliebter je länger sie im Amt sind.

Ich war ein Narr, als ich auf die kleine Zusammenfassung der großen Krönung hoffte. Ein Narr, weil ich meiner Gerätevielfalt traute.

Shakespeare kann es kürzer: Ein Narr, der sich für einen Weisen hält. Der Weise weiß aber, dass er ein Narr ist.

Weisheit ist nicht nur in der hebräischen Sprache dem Weiblichen zugeordnet. Auch bei mir. Christine las mir abends zum Trost das Märchen vom Froschkönig vor. Wenn schon nicht Charles, dann eben ein Frosch.

9. Mai 2023