Weißt Du, wieviel…

…Sternlein stehen – an dem großen Himmelszelt? Sogar in Häusern ohne Gesang- und Kinderliederbücher wird dies Lied „für fromme Kindlein“ noch vereinzelt gesungen.

Aber in welcher Welt lebte sein Biedermeierdichter Wilhelm Hey? Denn die dritte Strophe ist höchst weltfern: „Weißt du wieviel Mücklein spielen – in der hellen Sonnenglut?“

Nein, ich zählte die Mücklein nicht. Nicht mal die Zahl derjenigen, die ich mordete. Nein, tötete. Notwehr. Meine Mückenleichen im Keller – wenn ich sie sammeln würde – wären nur in Haufen zählbar.

Wir jedenfalls flohen den dritten Tag in Folge von draußen (zugegeben kleine Teiche und die Schwienau in der Nähe) nach drinnen. Von wo wir doch gerade dankbarst nach draußen flohen. Nach Pandemie-Wintermonaten inclusive dem Mai 21, der dazu gehörte.

Selbst Christine schlägt um sich. Sie, die jedem Käfer und jeder Spinne im Haus mit ihrem Plastikschieber oder zur Not auch nur mit unseren Trinkgläsern und Pappen drüber das Leben rettet und sie draußen wieder aussetzt, zeigt Grenzen ihrer Tierliebe. Nein, der Liederdichter, Fabelerzähler und Pfarrer Wilhelm Hey hatte wohl keine Berührung mit Mücken. Woher sonst seine Meinung, Gott habe sie lieb und gezählt. Seine Lebensorte waren in Thüringen, weiter entfernt vom Wasser als wir.  

Theoretisch bin ich der Meinung vom Pfarrer Hey, dass wir alle geliebte Schöpfungsgenossen sind. Aber nur theoretisch. Praktisch sind etliche Schöpfungsgenossen allerschlimmste Plagegeister. Speziell unsere Mücken sind in einer Unzahl. Einer, die man eben nicht zählen kann. Kein Gott. Nicht mal die Mehrzahl von ihm, die Götter.

Da irrt Pfarrer Hey einfach. Trotz seines Geburtsjahrs, an welches unsere Geistesgeschichte die „Aufklärung“ verbindet (1789).

Wir deckten uns jetzt mit Waffen ein, um wieder draußen leben und am Laptop arbeiten zu können. Mit Antibrumm. Mit Autan. Mit speziellen Bio-Armbändern (Paratiko). Aber der Nutzen - nein, ich darf den Markt nicht schlecht machen. Sie nützen sicher. Vielleicht bei jeder 10. Mücke.

Von Nachbarn hatten wir mal ein Mückennetz geschenkt bekommen, unter das eine Großfamilie passt. Aber durch dieses sehen wir draußen nicht mehr, dass wir draußen sind. Keine Mücke passt da durch. Und kein freier Blick auf die Ostheide.

Natürlich stehen die alten Plastik-Klatscher überall, bis an die Betten -  auf Mückenwild lauernd. Aber wer schläft noch nach diesen Jagdszenen aus Niedersachsen.

Benze, der unseren Teich säuberte und auch überfallen wurde, hat ein Rezept, das der Dichter hätte anwenden können. Juckstelle aufkratzen und Essig drauf. Jedenfalls: Der lässige Satz „Das juckt mich nicht“ ist in Bezug auf Mücken fehlplatziert.

22.06.2021