Hohes Lied auf platte Sprache

Wir können sie wieder an dieser Stelle lesen – unsere vielgeliebte „Sprache der Seele“: das Platt. Diese Sprache der von unserer Landschaft geprägten Menschen  

Die Kolumnenkollegen Bautsch und vor ihm Hinnerk schrieben sie jahrzehntelang an dieser Stelle: Die Kolumne op Platt. Sie ist viel älter als meine Kolumne und urälter als meine Sprache: Hochdeutsch.

Ich liebe unser Plattdeutsch wie eine nahe, aber unerreichbare Geliebte. Das Glück ist eben auch im Blick auf Sprache und Sprechen (frei nach Goethe) da, wo ich nicht bin. Ich kann unser Platt verstehen, weil meine Mutter platt aufwuchs und ihr Vater sogar im arroganten Celle (das allerbeste Hochdeutsch sprechend, meinen sie) manchmal platt predigte, wenn er die anwesende Gestapo bei kritischen Gedanken ein bisschen auszugrenzen versuchte.

Wenn ich an Pastorinnen und Pastoren denke, die sich noch plattdeutsch um ihre Seelen kümmerten, ganz vereinzelt auch noch heute, dann werde ich im Blick auf meinen Beruf und ähnliche therapeutischen Berufe traurig, nicht plattdeutsch sprechen zu können. Da ist die Seelsorge den Gesprächstherapien weit über.

Plattdeutsch – überhaupt regionale Sprachen – können, was wir mit Hochdeutsch nie können werden: Von hier und jetzt im Nu die Stimmung ändern, Verkrampftes lösen, Giftiges entgiften. Beispiel von jemandem aus Wien in Hamburg: Kollege Glawischnigg. Wenn wir uns im Senat zu zanken begannen und jede Stimmmeldung das kollegiale Leben noch mehr versaute – dann sprach Kollege Glawischnigg einige wenige beschwichtigende Wörter - mit jenem Wiener „Sound“, den ich ebenso wenig nachmachen kann wie Plattdeutsch. Und mitten im hochschulpolitischen Zoff lächelten wir, grinsten, lachten, schmunzelten. Und es ging anders weiter.

Die „Prosodie“ (= Gesamtheit der lautlichen Eigenschaften einer Sprache, geschrieben oder gesprochen) macht die Stimmung und wenn Politiker bei uns Platt snacken würden im Wahlkampf (und wir alle könnten sie verstehen) – sie würden siegen. Und mit ihrem Platt in den Landtag ziehen. Und weiter nach Berlin…

Aber merken Sie`s? Ich kann meine Liebeserklärung nicht erklären ohne Hochdeutsch inklusive Latein. Es ist zu traurig.

Um das nicht immer zu sein, warte ich jährlich auf Heiligabend. Dann liest Christine die Weihnachtsgeschichte nochmal. Op Platt. Ich jiepere auf solche Stellen, als die Engel zu den Jahnkes und ihren Viechern hinabschwebten. Na? „Un wat passeer?“ Die Engel beruhigten. „Man jo keen Angst nich…“

Und ich jiepere auf unsere private Silvesterparty im Dorf. Früher zu fünft, jetzt - wegen Ableben von Heiner - zu viert. Da gibt’s (bis 2018, seitdem nicht mehr) viel zu trinken und noch viel mehr zu reden. Ab halber Kiste op Platt, bei dem der`s kann. Der Rest hört zu.

Jetzt jipere ich auf den nächsten Plattsnacker an  dieser Stelle.

01. Juni 2021