EU

     

Klar: EU = unsere Europäische Union. Als Silbe gesprochen klingt es richtig gut (eu) und heißt auch „gut“, wenn wir es ins Griechische rückübersetzen. Besonders gut finde ich, wie die EU sich um uns kümmert – und dieses Kümmern auch sofort durch Gesetze garantiert. Und zwar immer neue. Wo gibt's schon solche gesetzlich garantierte Fürsorge.

Am jährlichen Herrenabend zu Neujahr berichteten die Herren von der Landwirtschaft, wie sie immer weniger auf ihren Höfen und Ländereien tun müssen. Es wird alles von EU-Richtlinien, EU-Gesetzen, EU- Empfehlungen geregelt und sie brauchen sich bald um nichts mehr zu kümmern, als nur noch die Gesetzesblätter durchzulesen. Jährlich mehr Papier, als sie in der Schulzeit hatten. Fürsorge rundum.

Jetzt haben wir als Ausdruck neuer nahezu mütterlicher Fürsorge das EU-Hygiene-Gesetz für Gaststätten, Restaurants. Ab jetzt müssen also alle Wirte und ihr Personal draußen ausweisen, ob sie sich die Hände und das Essen und Trinken waschen, das sie anbieten. Wenn sie das tun, erscheint „Grün“ im Aushang mit der Speisekarte und das heißt wie bei der Ampel: Da können wir sorglos rein. Alles geprüft und sauber, vom Essen und Trinken bis zum Klo, wo man alles Essen und Trinken wieder entlässt. Tiefrot wird zeigen, dass die Tapeten von den Wänden in das Essen bröseln, das Personal in Privatkleidern kocht und bedient und unsere Gesundheit in Gefahr ist, wenn wir reingingen.
 

Mein Gott, wie vielen Fast-Vergiftungen bin ich bisher knapp entwichen. Meine alte Lieblingskneipe in der Innenstadt mit dem fachgewerkten Verbindungsgang zum Klo an der Küche vorbei, gesäumt von Katzen, Papageien und Aschenbecher und mit dem freundlich winkenden Koch aus der offenen Küchentür heraus – ich ahnte ja nicht, wie gefährlich ich dort aß und trank. Zwar „Adieu Gemütlichkeit“ jetzt, weil die sicher einen roten Balken kriegen, aber ade auch die bisherige Lebensgefährdung. Dank EU.

Mein Zahnarzt zeigt mir gleich noch zwei neue Gesetze, die natürlicherweise zusammenhängen mit „Hygiene“. Das neue EU- „Infektionsschutzgesetz“ und das „Medizinprodukte-Gesetz“. In einem Extra-„Steri“-(Sterilisations-) Raum werden jetzt benutzte Instrumente gesammelt und sterilisiert, um dann in einem weiteren Extra-Raum als garantiert sauber gelagert zu werden. Außerdem braucht es ab jetzt einen Raum für die Dokumentation dieser u.a. Vorgänge. „Tut mir so leid, aber wir können nicht mehr so viel plaudern wie bisher“, sagt mein Zahnarzt und die beiden zauberhaften Zahnarzthelferinnen nicken traurig. „Wir brauchen für all das Neue mehr Zeit…“

Eu EU, gute EU! Unsere Gedanken sind rechtlich freier denn je. Wir können in sehr rechte oder sehr linke Parteien eintreten, in Sex-Clubs Mitglied werden oder zu Scientology gehen – keiner tut uns was. Danke EU!




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
31. Mai 2011