Feuer

     

Ich bin jetzt unter die Feuerschlucker gegangen. Früher war ich Feuer und Flamme gewesen. Für Bach-Oratorien, für meine erste Flamme, für Karl Jaspers und Karl Marx. Ich übte mit Feuereifer mit Zwei-Finger-Suchsystem das Schreiben und Klavier. Später führte ich Stockhausens „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ in Düsseldorf auf und hinterher zuhause im Wohnzimmer die Dramen im Kasperletheater für Töchter und
andere Fans.

Ich war lange Feuer und Flamme und mit Feuereifer im Leben. Seit langem bin ich
Feuerschlucker, weil Feuer nicht mehr sein soll. Es begann mit dem Verbot vom Feuermachen im Garten. Ausnahme das Anfeuern vom Grill und das staatlich genehmigte Osterfeuer.

Ich schluckte alle diese Feuerverbote mit dem häufigsten Gefühl des Bürgers: ungerecht behandelt zu werden. Denn schon nebenan in Mecklenburg- Vorpommern darf Friederike mit ihren Knaben, groß und klein, Feuer machen
und verbrennen - immerhin während zweier ganzer Monate im Jahr. was sie will und wann sie will. Nicht, dass sie deshalb dahin zog, aber die Freiheit ist ein kostbares Gut und sie hat es. Wir nicht.

Während ich dies schreibe, denken meine Staatenlenker über das Verbot von Kaminfeuer in Privathaushalten nach.

 

Auch Kaminfeuer, Stockbrotfeuer soll mit ungeheuren Mengen, nein, Unmengen von Schwefeldioxid und noch viel schlimmeren Partikeln die Luft verschmutzen.

Ich schlucke ein Gebot und Verbot von Feuer nach dem anderen herunter. Es brennt in mir und ich trauere mit den Kindern meines (Bundes)-Landes, das sie nicht mehr die Lagerfeuer mit oder ohne Pfadfinder kennenlernen können. Ich trauere um das kleinfeurige Adventssingen im Dorf. Ich trauere um diese Trautheit im Halbrund vor dem Kamin, die ohne Feuer nicht mehr geht.

„Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß“ …Welche Altenheimpfleger kennen dies alte Liebeslied nicht. Ob sie es noch kennen, wenn ich Betreuung und Pflege brauche? Ob die nächsten Generationen gar nicht mehr Feuer und Flamme für etwas sein können, jedenfalls das Gefühl nicht mehr beschreiben lernten. Eine Flamme haben, Feuereifer, überhaupt ein feuriges Weib oder einen ebensolchen Mann kennen können – geht nicht mehr. Sie sterben aus, weil die Sprache, ein Spiegel des Menschen, sich herausschleichen wird aus allem, was mit Feuer zu tun hat.

Die Zukunft hat schon begonnen. Die beglückenden Augenblicke heißen schon gegenteilig wie Feuer: Cool.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
30. Januar 2018