Kolumnisten – Leben

     

Überschlagen Sie, was ich hier schreibe, wenn Sie nicht lesen wollen, was ich hier schreibe, denn ich schreibe über mich. Über diese Kolumne. Sie wurdeletzten Dienstag 35 Jahre alt, also präzise halb so alt wie ihr Autor: Am 23. Sept. 1980 erschien die erste Kolumne und war das Ergebnis eines Besuchs des damaligen Chefredakteurs Gunter Beuershausen bei uns in Hösseringen`s Alter Schule.
„Kennen Sie Hinnerk – den, der für uns plattdeutsch schreibt?“ fragte er und natürlich kannte ich den und las ihn auch, den plattdütschen Kolumnisten.
„Ich brauche für die, die nicht plattdütsch schreiben, einen hochdeutschen Hinnerk – machen Sie das?“ Ich wollte nicht. Ich bin Bücherschreiber und Kolumnen sind begrenzt und Begrenzungen akzeptiere ich selten, am wenigsten beim Schreiben. Ich kannte aber Beuershausen schlecht: „Wenn Sie es nicht können, ich bring es Ihnen bei“. Meine erste Lehre folgte, jahrelange Lehre: Kürzen lernen, neu titeln lernen, noch mehr kürzen. Kolumne (lat.=Säule) nimmt eigentlich die Länge einer Druckseite sein. Das war aber im alten Rom, nicht in einer modernen Zeitung, die der Kolumnisten höchstens halbe Kolumnen kriegen, Verleger mehr.
Als Thomas Mitzlaff, unser jetziger Chefredakteur, eben dies wurde, fragte er, der wievielte Chefredakteur er für mich sei. Wir rechneten und kamen auf Heiliges: Der siebte. Und auch mein siebter Chef sagte: Weiterschreiben.

 

Christine schenkte mir alle Erdteile, auf einer Schreibtischunterlage  - und piekte überall Stecknadeln in die Erde, wo ich  Kolumnen geschrieben und dann nach Uelzen geschickt hatte: mit auf Briefmarken mit Zunge, dann mit Faxgeräten von Häfen, Bahnhöfen, fremden Zeitungsredaktionen, Botschaften, Konsulaten, Bäckereien, Pfarrhäuser, Kliniken. Dann: Email! Und –wirklich: Auf allen Erdteilen schrieb ich. Auf Hotelbettkanten, in Kongresszentren und im Auto durch kasachstanische Wüsten chauffiert, in Flugzeugen und wieder zuhause.
Meine zweite Lehre: Schreibgeräte wechseln müssen. Die ersten 570 Kolumnen – damals pro Woche eine) noch mit Erica, meiner mechanischen Geliebten (Schreibmaschine), dann die elektrische Elektra (490 Kolumnen), dann die digitalunterstützte Elektrische („Triumph“, leider nicht mit „pf“). Dann – seit der 1111. Kolumne – der PC mit Keyboard wie ein Kleinklavier, heute zusammenfaltbares Keyboard, das mich wohl überlebt und ich nicht es.

Warum? Autoren sind zwanghaft getriebene Leute. Nicht sie schreiben, sondern „es“ schreibt. Warum? Weil jemand daran klebt, worüber er schreibt.Statt kleben besser: lieben. Was, wen?  Nuja,:die Heimat lieben, gerade, wenn sie weit entfernt. Und wer Heimat auch mal kritisiert, dann deshalb, weil er sie sehr liebt (sehr frei nach Heinrich Heine).



Den Autor erreichen Sie unter:

Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
29. September 2015