Ausländisches

     

Vor kurzem haben die Bürger der Schweiz sich für das Gesetz entschieden, ihre Grenze wieder mehr der zweiten Aufgabe einer Grenze zu widmen: Nicht der des Hereinlassens, sondern der Aufgabe der Ausgrenzung. Weniger Ausländer wollen sie bei sich haben, weil es inzwischen zu viele davon gibt, die dem kleinen Nachbarvolk Arbeitsplätze u.a. wegnehmen. Wir Deutsche sind auch darin Vorreiter und ich kenne eine Klinik im Thurgau, deren Ärzte mehrheitlich deutsche Ärzte sind, für die die Arbeit als „Ärzte ohne Grenzen“ kaum zutrifft. Dafür ein wesentlich höheres Gehalt als bei uns.
Ich verstehe sie also, meine Schweizer Freunde, und dennoch reisten Christine und ich für die Osterferien erstmals mit dem Gefühl der Vorsicht ein, ob wir bei den Schweizern auch eine neue Vorsicht spüren.
Von „Grenze, Freiheit und Glück“ war denn naheliegenderweise auch das Finale eines Mini-Musicals überschrieben. Wie passend zum Gesetz.
Dennoch waren wir für die Generalprobe eingeladen, die das österliche Musiklager der Musikschule Wohlen/ Zürich beendigen sollte. Einstudiert worden war zuvor im würdigen Aarbergerhus in Ligerz am Bieler See mit 26 Jugendlichen, sechs Dozenten und der Musikschulleiterin Regula Hannich.

Wir gingen hin, schon weil der ehemalige Musikschulleiter in mir (Uelzen 1970/71)

 

mal wieder Musikschulluft schnuppern zu dürfen hoffte, was mir zuletzt Christoph Strieder in Oldenstadt vor einigen Jahren ermöglicht hatte. Außerdem lockte die Neugier, was hinter diesem so schnell zum Gesetzentstandenen politischen Musical stehe möge.
Nichts. Keine heiße Politik bei dem heißen Thema von Grenze, Freiheit und Glück. Dafür kollektives Leid und persönliches Leid im Lager und Befreiung davon durch menschliche Liebe. Transportiert durch fetzige Rhythmen mit Dschemben und Body-Percussion, dafür selbstgetextete, selbst komponierte und arrangierte Lieder solo, im Duett und Chor, dafür Rap und toller Groove, dafür Solo-Tänzer, dafür eine ganz und gar nicht quer blasende Flötistin und ein beherztes (Lehrer)-Klavier mit herzensöffnender Akkordeonistin, einem kleinen Engel an großer Harfe u.v.m.

Über vielen Musiktreffen steht oft  und oft nur als Buchstaben zu lesen: Music - crossingborders. Für Christine und mich – die einzigen Gäste bei dieser Generalprobe - war diese Grenzaufhebung durch Musik deshalb bewegend, weil die Künstler und ihre Lehrer ganz bewußt eine Herzlichkeit und Bewillkommnung für uns Ausländer formulierten, so daß wir beides vergaßen: Das neue Schweizer Gesetz und dass wir Ausländer waren.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
29. April 2014