Geliebter Lenz…

     

titelte die „Süddeutsche“ am Tag nach dem Bekanntwerden des Todes von Siegfried Lenz. Ich war an dem Tag auf der Frankfurter Buchmesse engagiert und kondolierte wie viele seiner Leser, Buchhändler und Autoren-Kollegen am Stand des Hausverlages von Siegfried Lenz. Wir pilgerten an den Abos einwerbenden-Ständen der Tageszeitungen vorbei, deren Mitarbeiter im Gespräch über den gestorbenen Lenz die Abo-Werbung vergaßen. Die großen Zeitungen plakatierten andere Titelzeilen, aber fast alle brachten sie: Photos alsoberflächige Abbilder dieses tiefgründelnden Autors und Menschen auf die Titelseite.
Rückerinnerung: Siegfried Lenz hatte ein kleines persönliches „Netzwerk“ im Landkreis Uelzen. Er korrespondierte und traf sich mit dem früheren Oberkreisdirektor Dr. Berger (doch, doch, es gibt sie durchaus, kunstbegeisterte Behördenleitungen und manchmal auch Politiker). Lenz schätzte die Chefs der alten Buchhandlung Schimmel – und er förderte junge Autoren, wo er konnte. So auch mich, dessen ersten dickeren Erzählband er mit einem Banderolentext schmückte und warnte: „Bleiben Sie auf dem Erdboden so wie ich am Wasser! Der Erdboden soll hier in der Gegend ja besonders gut sein…“

 

Bei der Gründung des Schriftstellerverbandes 1970  („Einigkeit der Einzelgänger“) zusammen mit den anderen „Großautoren“ wie Böll und Walser und Grass ernüchterte Lenzim kleinen Kreis die Jungautoren mit eigenen Erfahrungen: „Wenn Euer Buch auf einer halben Seite in der Süddeutschen oder der FAZ oder der WELT rezensiert wird – dann denkt Ihr, der Nobelpreis ist nahe. Oder mindestens ein toller Umsatz. Irrtum! Wenn eines meiner Bücher auf einer halben Tageszeitungsseite besprochen wird, dann sind das am nächsten Tag in meinem Hamburger Verlag gerade mal 12-15 Exemplare, die von Buchhandlungen geordert werden….“
Als das funkelnagelneue Kurhaus in Bad Bevensen Anfang 70er für die Ewigkeit eingeweiht wurde  -  da las Lenz aus seiner Deutschstunde – und ich durfte ihn mit Bach-Sonaten garnieren. Das damalige Kurhaus ist im Schwinden, weil zu alt. Siegfried Lenz` ist nun auch geschwunden, aber seine großen Taten für unser Ansehen als Deutsche auf der Erde werden es wohl nie. Denn die zierliche indische Studentin auf der Buchmesse – die hatte ihn auch gelesen, den bescheidenen Großautor. Alles was es von ihm gab. „Geliebt habe ich ihn“, sagte sie, „ich meine seine Bücher“. Eben: Geliebter Lenz…




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
28. Oktober 2014