Meine Mutter hatte schon eine überraschend gute Meinung von ihnen: Von Frauen, die Liebe gegen Geld verkaufen. Oder das, was in diesem ältesten Gewerbezweig der Erde unter Liebe verstanden wird.
Meine Mutter war seinerzeit sozusagen amtlich als Kirchenvorsteherin in Celle unterwegs und ging in die Fritzenwiesen. Eben „dorthin“. Dort sollte und wollte sie in einem Haus jene „Randgruppe“ besuchen. Zurück kam sie mit der Überraschung, wie bürgerlich bei den Damen vieles sei: Offizielle Anmeldung als Gewerbetreibende, offizielle Steuerzahlerinnen. Und: Bis auf eine Dame zahlten sie auch alle Kirchensteuer! Außerdem seien die Frauen überraschend herzlich und erfreut über den nichtkommerziellen Besuch gewesen. Sie hätten beim Bäcker gegenüber schnell Kuchen geholt…eben Überraschung pur.
Mit dieser Vorbildung bin ich, wenn die Rede auf Prostitution kam, immer schon sehr vorsichtig im (Vor-) Urteil gewesen. Und in unserem Landkreis und dem von Soltau-Fallingbostel reden wir nun mal alle weitaus mehr über diese hochinteressante Bevölkerungsgruppe, weil unsere Landschaft offenbar besonders zur Liebe einlädt. Oder psychoanalytisch formuliert: Weil sie besonders intensive libidinöse Reize auslöst, wenn wir an diesen Wohnwagen in den Waldwegeinfahrten zwischen Suderburger Kreuz und Breitenhees oder – noch frequentierter wegen Autobahnnähe – zwischen Munster und BAB Soltau vorbeifahren. Da stehen sie mit roten Licht oder Blaulicht im Führerhaus, mit sichtbaren Damen darin oder unsichtbaren Damen, weil sie gerade hinten ihrem Beruf nachgehen. |
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Ich bin nicht nur überrascht wie meine Mutter (obwohl mir der persönliche Kontakt fehlt), sondern bin inzwischen voller Verwunderung, mit was für anderen Gewerbezweigen sich dies Gewerbe der Liebe noch koppeln lässt. Denn – ich bin extra auf der Rückfahrt langsam von Soltau nach Munster gefahren – da stehen nicht nur die Wohnwagen mit oder ohne aufgemalte Herzen, sondern neben zwei Wohnwagen standen Verkaufsschilder. Beim einen wurde bis Ende Mai Spargel angepriesen, beim anderen geräucherte Forelle. Bei dem mit Spargel war seit Ende der Saison (für Spargel, nicht der Liebe) Erbeere und Beere sowie eine Kartoffelsorte erhältlich.
Was nicht klar ist bei dem Angebot, ob man das eine ohne das andere kaufen kann. Oder nur zusammen. Werbepsychologisch ist auch die Frage, ob durch das Edelgemüse bzw. die Waldfrucht (ein Aphrodisiakum ist eigentlich nur das erste, keine Erdbeere oder geräucherte Forelle) mehr Liebeskunden kommen oder eben umgekehrt. In jedem Fall befindet sich die Straßenprostitution aufgrund dieser klug eingesetzten Synergie (eine Verkäuferin für ganz Verschiedenes) auf dem Weg in neue Wirtschaftszweige.
Ich kann nur hoffen, dass es so ist und nicht so, dass hinter diesem neuen Handel von „Liebe und mehr“ nur noch mehr Menschenhandel und Dramen stehen und die Damen vom Erd-Früchte-Umsatz wirklich selbst profitieren.
Oder stehen einige Wohnwagen da neben verlassenen Schildern früherer Verkaufsstände? Dann wäre diese Kolumne nur noch eine Geschäftsidee für die Damen am Straßenrande. |