Anzügliches

     

Es gibt die Geschichte aus der Besenkammer im Weißen Haus eines gewissen amerikanischen Präsidenten, die zwar nicht gleich Weltgeschichte wurde, aber doch als Geschichte um die Erde ging. Weil es eine anzügliche Geschichte ist. Seitdem kann kaum ein Mensch das Wort Besenkammer hören, ohne – na, Sie wissen schon.
Anzügliche Geschichten sind deshalb so beliebt, weil die Phantasie kein genussreicheres Futter kennt als Geschichten, die uns deshalb anziehen, weil sie mit Ausziehen verbunden sind. Unterabteilungen anzüglicher Geschichten beinhalten Obszönes, Unanständiges, Schweinereien oder gar Schweinisches.
Wir, d.h. mein Arbeitgeber und wir Arbeitnehmer haben jetzt auch so eine Geschichte, die alle erregt – aber aus total gegensätzlichem Grund: Die anzügliche Geschichte wurde gar auf ein großes Plakat geschrieben und unten im Foyer öffentlich ausgehängt und begann  ihre skandalöse Runde zu drehen in aller Munde, aller Phantasien.

Nur: Die Schreiberin der Geschichte hat keinerlei Ahnung gehabt, was sie aufschrieb. Im Gegenteil, die Zeilen, die sie aufschrieb,waren eine schlichte Hilfsbereitschaft für
 

Musikstudenten, die ihr stressiges Leben im Spannungsfeld zwischen ihren Instrumenten, Notenständern, Noten und strengen Professoren leben – aber lesen Sie selbst. Da stand mit  Breitfilzstift auf großer weißer Pappe:
„Wer von den Bläsern noch keinen Ständer für die Probe im Keller hat, der möge sich bitte bei Frau (hier der Name der unglücklichen Orchesterwartin) im 1. Stock melden und sich einen herunterholen.“
Ein Skandal? Wie kann aber ein Skandal ein Skandal sein, wenn die Auslöser des Skandals nachweislich zu den harmlosesten, arglosesten Benutzern der deutschen Sprache gehören? Genau genommen macht unsereins den Skandal erst, die wir die Wörter und die Kombination von ihnen anders besetzen als diese Harm- und Arglosen.
Oder sollen wir tiefenpsychologisch rangehen und vermuten, dass das Unbewusste der Schreiberin mitschrieb und sich bisher Verdrängtes Bahn brach?Das Plakat geistert nun auf vielen, vielen Handys und wir alle sind begeistert.

Ade Unschuld! Ade du „Liebreiz der Gesichter, die erröteten bei Wörtern, die das Herz berührt“ (aus einem Poesiealbum).



Den Autor erreichen Sie unter:

Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
27. September 2016